Frage an Carl-Ludwig Thiele von Christian R. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Thiele,
in letzter Zeit geht durch die Medien ja das Schreckgespenst der ausufernden Staatsverschuldung. Bei der ganzen Diskussion wird meines Erachtens aber vergessen, dass es doch auch Forderungen des Staates (z.B. gegenüber anderen Staaten, Banken usw.) gibt und die man eigentlich gegenrechnen müsste.
Ich glaube, mich erinnern zu können, dass Russland letztes Jahr seine Schulden bei den USA aufgrund des Devisenzuflusses durch den hohen Ölpreis quasi mit einem Schlag zurückzahlen konnte, bei China sei es ähnlich, diese seien inzwischen sogar weltweite Netto-Gläubiger.
Leider finde ich keine verlässlichen Zahlen, in welchem Umfang eigentlich Deutschland als Gläubiger agiert. Natürlich kommt es auch darauf an, ob die Forderungen überhaupt realisierbar sind. Diesen Punkt möchte ich aber vorerst mal außer Acht lassen.
Können Sie mir da weiterhelfen?
Mit besten Grüßen aus Stuttgart,
Christian Reiter
Sehr geehrter Herr Reiter,
vielen Dank für Ihre Frage zur Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist natürlich auch für uns eines der wichtigsten politischen Themen. Zuerst möchte ich Ihre Frage zur Auslandverschuldung beantworten. Dort ergibt sich für Deutschland ein differenziertes Bild. Da wir eine offene Volkswirtschaft mit immer weniger Staatsbeteiligungen sind, sind es vor allem Banken, Versicherungen und Unternehmen, die sich im Ausland finanziell engagieren und denen ausländisches Investment zugute kommt.
Der Vermögensstatus der Bundesrepublik Deutschland ist somit gegenüber dem Ausland im 2. Vierteljahr 2009 zwar mit 810 Mrd. Euro positiv, der der öffentlichen Haushalte mit 855,3 Mrd. Euro jedoch negativ.
Anzumerken ist hierbei allerdings auch, dass bei den öffentlichen Anlagen vor allem der Wertpapierbereich mit -865 Mrd. Euro (und insbesondere der Staatsanleihenbereich mit -792,8 Mrd. Euro) bei diesem Ergebnis zu Buche schlägt. Deutschland befindet seit sehr vielen Jahren im Kreise der Länder, die die besten Ratings der Agenturen bekommen. Damit sind auch deutsche Staatsanleihen ein äußerst beliebtes Anlageinstrument - sowohl für Inländer als auch für Ausländer.
Die Staatsverschuldung in Deutschland ist jedoch, mit zurzeit 1.640 Mrd. Euro (zudem selbstverständlich auch die Staatsanleihen gehören), erschreckend hoch. Zu einer verantwortungsvollen Politik gehört es immer auch, die Generationsgerechtigkeit nicht aus dem Blick zu verlieren.
Die FDP verfolgt das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes in jeder Phase des Regierens. Jedoch hat zuerst Rot-Grün und dann die große Koalition ein solch massives Haushaltsdefizit hinterlassen, das es nun erst einmal darum geht, wieder den richtigen Pfad der Konsolidierung einzuschlagen. Zusätzlich ist es jedoch von enormer Bedeutung, ein wirtschaftliches Klima des Aufschwungs zu schaffen. Gerade um einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen oder sogar Reserven anzulegen, bedarf es Wachstums, das Werte schafft und Steuereinnahmen generiert. Daher sind Steuersenkungen und ausgeglichene Staatsfinanzen kein Widerspruch, sondern sind vielmehr miteinander verknüpft.
Ich hoffe sehr, Ihnen mit der Antwort behilflich gewesen zu sein und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,
Carl-Ludwig Thiele