Sie lehnten die Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 ab. Was werden Sie tun, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern? Wie werden Sie vulnerable Mitmenschen schützen, alte, immungeschwächte?
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Frage.
Auch mir ist es ein Anliegen, vulnerable Gruppen vor einer Infektion zu schützen. Ich halte die Impfpflicht jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt nicht für das richtige Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Zur Erreichung des legitimen Ziels, vulnerable Gruppen zu schützen, ist die Impfpflicht nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht geeignet. Zwar sinkt durch eine Impfung die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sowie im Falle eines Impfdurchbruchs auch durch eine i.d.R. geringere Viruslast des Geimpften die Wahrscheinlichkeit, andere anzustecken. Jedoch führt die Impfung gerade nicht zu einer sog. sterilen Immunität. Angesichts geringen Transmissionsschutz von ca. 50% der aktuell verfügbaren Impfstoffe hinsichtlich der Omikron-Variante ist der Schutz vulnerabler Gruppen derzeit selbst bei einer Impfrate von annähernd 100 Prozent nicht suffizient erreichbar. Der wirksamste Schutz vulnerabler Gruppen wird durch Maßnahmen wie die Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen herbeigeführt.
Aus diesem Grund habe ich der letzten Änderung des Infektionsschutzgesetzes nicht zugestimmt, bei der beispielsweise die flächendeckende Maskenpflicht abgeschafft wurde.
Das in Aussicht gestellte Versprechen, durch eine Impfpflicht Maßnahmen wie Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht ersetzen zu können, kann sehr wahrscheinlich nicht eingehalten werden. Selbst in Ländern mit sehr guten Impfraten kommt es leider immer wieder zu Wellen mit hohen Inzidenzen.
Ich werde mich weiterhin im Deutschen Bundestag für den Schutz von vulnerablen Gruppen einsetzen. Jedoch sollte die Impfpflicht dabei erst zum Einsatz kommen, wenn alle milderen Möglichkeiten, Menschen zu einer Impfung zu bewegen, ausgeschöpft wurden.
Es ist aus meiner Sicht Aufgabe der Politik für die Infrastruktur für Impfungen zu sorgen. In Ländern, in denen durch aufsuchende Verfahren oder automatische Terminvermittlung per SMS Impfungen angeboten wurden, sind die Impfquoten und die Akzeptanz deutlich höher. Dort sollten wir ansetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Canan Bayram