In Gaza werden Menschenrechte gravierend verletzt. In welchem Umfang geschieht das mit Waffen aus Deutschland? Sollte die Regierung die Waffenlieferungen sofort stoppen? Macht sie sich sonst schuldig?
Sehr geehrte Frau Bayram,
diese Menschenrechtsverletzungen wurden unter anderem in einer 84-seitigen Klageschrift dokumentiert, die beim Internationalen Gerichtshof von Südafrika eingereicht wurde. Darin wurden auch negative Äußerungen von Netanjahu und anderen hochrangigen Politikern zu den palästinensischen Semiten in Gaza zitiert. (ab Seite 59)
Wegen dieser Waffenlieferungen reicht jetzt Nicaragua eine Klage ein. Welche Bedeutung messen Sie dieser Klage zu?
In welchem Ausmaß lädt die Bundesregierung Schuld auf sich, wenn sie die Waffenlieferungen nicht stoppt? Unter anderem an dem Tod und der Traumatisierung von tausenden Kindern?
Wie kann erreicht werden, dass eine notwendige umfangreiche humanitäre Hilfe bei den Menschen in Gaza ankommt?
Links: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9467
https://www.amnesty.de/israel-besetzte-palaestinensische-gebiete-igh-voelkermord-urteil-zivilbevoelkerung-schuetzen
www.icj-cij.org
www.el19digital.com
Mit freundlichen Grüßen
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Frage.
Als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE PV) habe ich bei der Jahrestagung im Juni 2024 an der „Bucharest Declaration“ mitgewirkt, die mit einer Mehrheit der Stimmen angenommen wurde.
Darin erkennt die OSZE PV das Selbstverteidigungsrecht Israels an und verurteilt entschieden die terroristischen Anschläge vom 7. Oktober 2023, die von der Hamas im Süden Israels verübt wurden. Sie fordert die Befreiung aller Geiseln durch die Hamas und verurteilt die ungerechtfertigte und rücksichtslose Missachtung von unschuldigen Menschenleben, einschließlich der fortgesetzten Inhaftierung israelischer Geiseln, der Tötung und unmenschliche Behandlung zahlreicher israelischer Geiseln und die fortgesetzte Bombardierung ziviler Gebiete innerhalb Israels.
Gleichzeitig erkennt sie die sich rasch verschärfende humanitäre Krise im Gazastreifen und ihre katastrophalen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung an und fordert den schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang von humanitärer Hilfe nach Gaza und die Einrichtung eines Waffenstillstands im Einklang mit der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, um weitere Verluste an Menschenleben zu verhindern und eine friedliche Lösung zu ermöglichen.
Die vollständige Erklärung finden Sie hier: https://www.oscepa.org/en/documents/annual-sessions/2024-bucharest/declaration-30/5029-bucharest-declaration-eng/file
Wie einfach sich diese Forderungen lesen, es ist allen politisch Verantwortlichen klar, wie kompliziert die Gemengelage ist und wie schwer es ist, einen Weg aus dem Kreislauf der Gewalt vorzuzeichnen, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Und lange nicht alle Beteiligten wollen eine Lösung des Konflikts. Das Drängendste ist aus meiner Sicht, überhaupt ein Verfahren zu entwickeln, das Handlungsoptionen eröffnet.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat bereits mehrere vorläufige Maßnahmen gegen Israel angeordnet, der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) hat Internationale Haftbefehle gegen die Führer der Hamas und Israels Premierminister beantragt. International wird Druck auf Israel aufgebaut und unverzügliche Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten und humanitären Helfer*innen im Gazastreifen gefordert.
Die Äußerungen von Teilen der israelischen Regierung zu Besiedlung von Gaza verurteile ich aufs Schärfste. Klar ist: Überlegungen zu einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus und zu einer israelischen Wiederbesiedlung von Gaza sind völlig inakzeptabel. Sie tragen im aktuellen Konflikt zu einer Verschlimmerung der Lage bei und verstoßen gegen internationales Recht. Eine Lösung über die Köpfe der Palästinenser hinweg kann es mit Blick auf einen Frieden und Stabilität in der Region nicht geben.
Herzliche Grüße
Canan Bayram