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Canan Bayram
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Frage von Melanie B. •

Frage an Canan Bayram von Melanie B. bezüglich Energie

Wie werden Sie am 3.7. im Bundestag stimmen, wenn das neue Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden soll? Die Mitglieder der Kohlekommission kritisieren, dass es hinter dem ausgehandelten Mindestkompromiss zurückbleibt. Die nun vorgesehenen Fördermengen liegen deutlich höher als im Entwurf vereinbart.
Zudem zementiert es Kohleverstromung für 18 weitere Jahre, obgleich sie schon jetzt nur durch Subventionen von Steuerzahlenden wirtschaftlich ist. Durch öffentlich-rechtliche Verträge mit RWE und LEAG würde ein früherer Ausstieg (und er wird kommen) die Steuerzahlenden > 4 Milliarden Eur kosten, Geld welches wir dringend für den sozialverträglichen ökologischen Wandel brauchen werden, insbesondere weil wir schon jetzt die Mittel künftiger Generationen für Konjunkturhilfen ausgeben.
Bitte denken Sie an unsere Kinder/Enkel und die Bundesländer an den Küsten, welche lt. wissenschaftlicher Studien stark vom Meeresspiegelanstieg betroffen ist, wenn wir nicht berherzt umsteuern. Oder an die Dürre in vielen Bundesländern.
Wenn Sie für diese Vorlage stimmen, wird Sie das die Wählerstimmen einer ganzen Generation kosten und an Ihnen haften wie Hartz-IV an der SPD. Es gibt inzwischen Alternativen (Klimaliste, Radikal Klima) und immer noch die Linke.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Dr. B.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ich werde am 03.07.2020 in der Abstimmung über das Kohleaustiegsgesetz mit Nein stimmen. Ich stimmen Ihnen zu, dass der Gesetzentwurf hinter den schon sehr zaghaften Kompromiss der Kohlekommission zurückbleibt. Schon dort hätte ein schnellerer Ausstieg festgelegt werden müssen. Nun allerdings auch hinter diese Forderungen zurückzufallen ist nicht hinzunehmen. Ein schnellerer Ausstieg aus der Kohleenergiewirtschaft ist möglich.

Insbesondere kritisiere ich wie folgt:
- Dieser Kohleausstieg bringt zu wenig Klimaschutz und ist nicht vereinbar mit den Verpflichtungen des Pariser Klima-vertrags. Vor allem die klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke müssen früher und kontinuierlich stillgelegt werden, nicht erst Ende der 20er Jahre und 2038. CO2-Emissionen müssen ebenfalls frühzeitig und stetig gesenkt werden.
- Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist für die Steuerzahler*Innen zu teuer und zudem juristisch umstritten. Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber müssen transparent und regelbasiert erfolgen. Entschädigungen können in keinem Fall gezahlt werden, wenn die Stilllegung der jeweiligen Anlage ohnehin durch das Unternehmen geplant war. Das hätten wir mit Ordnungsrecht geregelt. Das ist transparenter.
- Es ist widersinnig, dass vor wenigen Wochen mit Datteln IV ein neues Kohlekraftwerk ans Netz ging, wenn Deutschland eigentlich aus der Kohle aussteigen will. Die Bundesregierung verabschiedet sich damit endgültig vom schnellen Kohleausstieg und beweist, dass sie die Klimakrise nicht ernsthaft bekämpfen will.
- Dass es eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit für Garzweiler geben soll, ist nicht nachzuvollziehen und kann dazu führen, dass weitere Dörfer abgebaggert werden. Außerdem fehlt im Gesetz die rechtlich verbindliche Absicherung zum Erhalt des Hambacher Waldes.
- Es fehlt zudem nach wie vor die notwendige Ausbauoffensive bei den Erneuerbaren Energien.

Um den Ausstieg zu strukturieren, hatte die Kohlekommission eine stetige Reduktion von Stein- und Braunkohlekraftwerkskapazitäten vorgeschlagen. Dies hat die Bundesregierung nicht umgesetzt. Vor allem die Stilllegungen der besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke müssen früher und kontinuierlich stattfinden und nicht erst Ende der 20er Jahre und 2038, wie im Gesetzentwurf überwiegend vorgesehen. CO2-Emissionen müssen ebenfalls frühzeitig und stetig gesenkt werden. Dabei ist klar, dass klimapolitisch eine Beendigung der Kohleverstromung bis spätestens 2030 notwendig ist, was jedoch durch die Energiepolitik der Bundesregierung und diesem Kohleausstiegsgesetz massiv erschwert wird. Des-wegen muss weiterhin alles rechtlich und politisch Mögliche unternommen werden, um dieser klimapolitischen Notwendigkeit gerecht zu werden. Überschüssige Zertifikate sollten aus dem Emissionshandel gelöscht werden, um eine Verlagerung der Emissionen in andere EU-Mitgliedstaaten zu vermeiden. Für die Stilllegungen soll es unterschiedliche Verfahren geben: Stilllegungen und Höhe der Entschädigungen für die Braunkohlekraftwerke werden zwischen der Bundesregierung und den Betreibern vereinbart. Für Steinkohlekraftwerke gibt es ein Ausschreibungsverfahren für Stilllegungen bis Ende 2027 sowie danach Stilllegungen per Anweisung. Neben reinen Abschaltungen der Kraftwerke besteht für Steinkohlekraftwerksbetreiber auch die Möglichkeit, u.a. mit einer zusätzlichen Förderung (sog. Kohleersatzbonus) das Kohlekraftwerk in ein Gaskraftwerk mit Kraftwärmekopplung (KWK) umzubauen. Hier fordern wir, im Rahmen des Kohleausstiegs einen Rahmen für die Weiter-entwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung zu setzen, der die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung zügig voranbringt.
Parallel zum Kohleausstieg muss der Ausbau von Erneuerbaren Energien endlich vorankommen. Im Kohleausstiegsgesetz wird das 65%-Ziel Erneuerbare bis 2030 von der Bundesregierung festgehalten. Die Ausbauziele sowie jährliche Ausbaumengen müssen dringend erhöht werden, um der Erneuerbaren-Branche Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Nur so kann Deutschland die Klimaziele erreichen und die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft vorantreiben.

Herzliche Grüße
Ihre Canan Bayram

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