Frage an Canan Bayram von Thorge H. bezüglich Verkehr
Frau Bayram,
Warum gibt es in Kreuzberg keinen autofreien Sonntag? Andere Städte wie México Stadt machen es erfolgreich vor. Besonders ein Bezirk wie Kreuzberg sollte bei so einem Thema Vorreiter sein.
Sehr geehrter Herr H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner politischen Arbeit. Leider hat es länger gedauert, weil ich alle Wege auf der Suche nach dem Autofreien Sonntag geprüft haben und umso mehr bedauere ich Ihnen keine auch für mich befriedigende Antwort geben zu können. Denn wenn es nach mir ginge, hätten wir eine autofreie Innenstand und damit wären Friedrichshain und Kreuzberg weitestgehend autofrei, aber leider sind wir aktuell weit davon entfernt. Dennoch sollten wir dieses politische Ziel weiter verfolgen.
Ihren Wunsch nach einem autofreien Sonntag im dichtbesiedelten Kreuzberg kann ich gut nachvollziehen. Die Vorteile von Zeiten ohne Autoverkehr, in denen sich Radfahrer*innen und Fußgänger*innen freier bewegen können, sind nicht von der Hand zu weisen. Neben den Aspekten von mehr Raum und Verkehrssicherheit für die angesprochenen Gruppen geht es um Unweltgerechtigkeit für alle Menschen, insbesondere geringere Umweltbelastung, sauberere Luft, weniger Lärm sowie positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Wir brauchen dringend die Mobilitätswende mit mehr öffentlichen Raum, der von ruhendem und fließendem Autoverkehr befreit werden müsste, zumindest örtlich und zu bestimmten Zeiten.
In den 1970er Jahren ordnete die damalige Bundesregierung autofreie Sonntage an, um als Reaktion auf die internationale Ölkrise teures Benzin zu sparen. Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (https://www.bundestag.de/resource/blob/413682/414756c62aeefb39b66b0349fe070d88/WD-7-064-08-pdf-data.pdf) wäre nach der heutigen Rechtslage eine solche Anordnung seitens der Bundesregierung mangels der Existenz einer gesetzlichen Grundlage hingegen nicht mehr zulässig. Für die Bundesländer und Kommunen gibt es keine rechtliche Befugnis zur Anordnung von flächendeckenden Innenstadtsperrungen oder pauschalen Fahrverboten im Rahmen der Durchführung von autofreien Tagen. Das liegt insbesondere an den Regelungen in der Straßenverkehrsordnung (StVO).
Ein temporäres und räumlich begrenztes Fahrverbot ist jedoch möglich und wird gerade in unserem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg immer wieder praktiziert. Im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus und den damit verbundenen Abstandsgeboten wurden bspw. temporäre Spielstraßen oder Sperrungen von Straßen rund um Wochenmärkte an verschiedenen Orten im Bezirk initiiert. Das Konzept der temporären Spielstraße wurde allerdings auch schon vor der Corona-Pandemie in der Böckhstraße erprobt und bietet nach meinen Erfahrungen und Austausch mit den Bewohner*innen im Bezirk einen willkommenen Ausgleich zum sonstigen Straßenverkehr. Der zusätzliche Raum zum Spielen, Verweilen und nachbarschaftlichen Kennenlernen bereichert die Kieze.
Ich bin sicher, dass die Notwendigkeit von weiteren autofreien Räumen offensichtlich und ebenso eine Frage von Gerechtigkeit ist. Der öffentliche Straßenraum sollte zum Wohle aller gestaltet und die eingangs genannten Vorteile berücksichtigt werden. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg strengt sich an, aber mir geht es auch zu langsam, wenn ich in andere Städte schaue. Wobei das Beispiel México ein krasses ist, wenn man sich die Stadt mit Lage und Luftverschmutzung anschaut ist es nicht unbedingt ein "nur" positives Beispiel.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Canan Bayram