Frage an Canan Bayram von Herbert R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Bayram,
die Nürnberger Ärztin Dr. Büyükavci wurde festgenommen und angeklagt. Der Berichterstattung zufolge sammelte sie Spenden. Dies wurde im Verfahren als Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation bewertet. Dabei ist die
„TKP/ML“ in Deutschland nicht verboten. Kritiker hinterfragen, ob es sich hierbei etwa um eine Auftragsarbeit für Erdoğan handeln könnte. Angesichts des Flüchtlingsdeals mit der Türkei – die Bundesregierung profitiert massiv davon – könnte diese Kritik durchaus berechtigt sein!?
„NSU“: die Wurzeln des „NSU“ liegen im Thüringer Heimatschutz. Dieser wurde mit Hilfe des Verfassungsschutzes aufgebaut und staatlich finanziert (V-Mann Tino Brandt).
Sieben Sicherheitsbehörden führten über 40 V-Personen im Umfeld des „NSU“. Dabei kam es zu zahlreichen Fehlern, Versäumnissen und Ermittlungspannen im Umfeld der NSU-Observierung. Auch wurden umfangreiche Akten mit NSU-Bezug vernichtet.
Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt: auch hier war mindestens ein V-Mann auf Attentäter Amri angesetzt.
Sonderermittler Jost machte staatlichen Behörden schwere Vorwürfe. „Da wurde alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“.
Der Fall Büyükavci zeigt deutlich auf: die Bundesrepublik Deutschland ist jederzeit dazu in der Lage, gegen Terroristen oder auch Spendensammler hart durchzugreifen. Dann - wie es scheint - wenn die Bundesregierung daraus einen Nutzen ziehen kann (Flüchtlingsdeal mit der Türkei).
Angesichts der zahlreichen Widersprüche, Behördenpannen und Merkwürdigkeiten im Umgang mit dem „NSU“ und Attentäter Amri, stellt sich für mich nun konsequenterweise die unverschämte (?) Frage: könnte es sein, dass sowohl der NSU-Rechtsterrorismus als auch Amris islamistischer Terror nicht verhindert werden sollte / durfte? Welchen Nutzen könnte die Bundesregierung aus verhinderbaren Terroranschlägen ziehen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Beste Grüße
H. R.
„Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ihre Fragen haben viele Annahmen, deren Überprüfung entweder noch nicht abgeschlossen oder gar nicht möglich ist.
Gerade im Zusammenhang mit dem NSU gab es die Diskussion, ob bzw. wie stark der Verfassungsschutz der Länder bzw. des Bundes an dem NSU-Trio dran war, dh. diese finanziert oder gar wissentlich unterstützt haben soll. Dieses hat zu Diskussionen über die Abschaffung des Verfassungsschutzes geführt. Auch die strafrechtliche Frage wird derzeit noch in München verhandelt. Diese Ergebnisse gilt es zu bewerten.
In Bezug auf das Verfahren gegen Frau Büyückavci ist das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen und insoweit wäre abzuwarten, was ihr tatsächlich vorgeworfen wird.
Bei dem Attentäter vom Breitscheidplatz haben die Untersuchungsausschüsse in NRW, Berlin und im Bund bereits einige Erkenntnisse gewinnen können, die deutlich machen, dass es Versäumnisse und Fehler bei den zuständigen Behörden gab. Insbesondere herausstellen will ich dabei, dass der Vorwurf gegen den früheren Berliner Innensenator gibt, wonach dieser für seinen Wahlkampf im Jahr 2016 bei der Observation die linke Szene in meinem Wahlkreis priorisiert haben soll. Demgegenüber soll er den Kampf gegen den islamistischen Terror vernachlässigt haben. Hierzu wird im Untersuchungsausschuss des Landes Berlin weiterhin ermittelt. Im Untersuchungsausschuss des Bundes wurde durch Zeugenbefragungen festgestellt, dass auf Bundesebene frühzeitiger und mehr Informationen über Amri vorlagen als bisher bekannt war. Der Frage, warum die jeweiligen Behörden so handelten, wie sie handelten und was den Fehlern zugrunde lag, wird viel spekuliert.
Das Wesen unseres Rechtsstaates ist, dass möglichen Vorwürfen gegenüber Einzelpersonen und Behörden Nachweise folgen müssen. Eine Bewertung der Gesamtsituation ist er nach einer solchen Auswertung möglich. Da wir uns noch in den laufenden Verfahren befinden, kann derzeit keine qualifizierte Antwort auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen erfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Canan Bayram"