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Canan Bayram
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Frage von Karsten M. •

Frage an Canan Bayram von Karsten M. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Bayram,
glücklicherweise habe ich noch einen Arbeitsplatz. Vom Gehalt kann ich mir monatlich eine kleine Summe zurücklegen. Statt aufs Postsparbuch, zahle ich die 40 Euro in einen Aktienfonds ein, um im Alter einmal davon profitieren zu können. Als ich kürzlich beiläufig am Arbeitsplatz diesen Aktienfonds erwähnte, wurde ich als "Heuschrecke", "Ackermann", "Abzocker" beschimpft und werde seitdem gemobbt. Ursache dafür sind mangelnde Finanzkenntnisse in der Bevölkerung und Populismus der politischen Parteien.
Was beabsichtigen Sie, gegen diese beiden gefährlichen Defizite zu tun?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Meier,

vielen Dank für Ihre Frage. Da ich überwiegend auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrecht tätig bin, würde ich Ihnen in Bezug auf das genannte "Mobbing" empfehlen, rechtzeitig fachmännische Beratung einzuholen, da dies insbesondere wegen der Beweisproblematik relevant sein könnte.

Beim Thema Aktienfonds kann ich Ihnen nicht zustimmen, dass dies lediglich Populismus der politischen Parteien sei. Vielmehr ist es so, dass shareholder value, hedge-fonds und die nunmehr zu erwartenden REIT-Fonds nicht nur dazu dienen das Geld zu vermehren. Dahinter stehen wirtschaftswissenschaftliche Konzepte und gesellschaftliche Modelle, die sich auf Alle auswirken. Am Beispiel des shareholder value will ich Ihnen dies kurz erläutern:

Dabei geht es darum, dass das Unternehmen als oberstes Ziel die Dividende, d.h. die Ausschüttung von Gewinn an die Aktionäre, anstrebt. D.h. eben auch, dass diesem Ziel alle anderen Interessen untergeordnet werden. Der Vorwurf ist, dass alles lediglich kurzfristig geplant wird und zwar von einer Bilanz bzw. Jahreshauptversammlung bis zur nächsten und dadurch außer den Aktionären keiner, letztlich auch das Unternehmen, keine Gewähr für die Berücksichtigung seiner Interessen hat.

Dies führt dazu, dass die Mitarbeiterinteressen unzureichend berücksichtig werden: Massiver Stellenabbau und soziale Härten prägen dieses Modell. Für den kurzfristigen Erfolg werden qualifizierte und langfristig für das Unternehmen wichtigen Mitarbeiter entlassen oder es wird nicht aus- bzw. fortgebildet. Auch andere Aspekte, wie soziale Sicherheit, Umwelt, Familienfreundlichkeit und gesamtgesellschaftliche Verantwortung finden ungenügende Berücksichtigung.

Dem steht das Modell des stakeholder value gegenüber, wonach verschiedene Interessen eines Unternehmens gleichzeitig verfolgt werden. Damit werden langfristig starke Unternehmen aufgebaut, die auch der Gesellschaft nutzen.

Immer wieder werden Forderungen laut, wonach der Endverbraucher über ein Ranking bzw. eine zusätzliche Kategorie bei der Stiftung Warentest darüber aufgeklärt werden soll, nach welchen Kriterien ein Unternehmen geführt wird. Danach kann der Verbraucher mit seiner Kaufentscheidung Einfluss auf die Unternehmensphilosophie nehmen.

Ich begrüße ausdrücklich diese Forderungen und bin überzeugt, dass die Bevölkerung bei Kenntnis der Umstände mit ihrem Kaufverhalten enormen Druck aufbauen kann.

Die Politik hat in diesem Bereich die Verantwortung, über die Umstände aufzuklären, was Franz Müntefering seinerzeit richtigerweise getan hat. Weiter hat sie die Pflicht durch gesetzliche Rahmenbedingungen zu entscheiden, wo die Grenzen wirtschaftlicher Freiheit erreicht sind und die Gesellschaft schaden zu nehmen droht. Hier gibt es noch einiges zu tun.

Auf Grund meiner bisherigen beruflichen Erfahrung weiß ich um die divergierenden Interessen. Diese Kompetenz will ich gerne zum Nutzen der Menschen meines Wahlkreises ins Berliner Abgeordnetenhaus einbringen.

Herr Meier, ich hoffe, dass Sie sich Ihrer Verantwortung als Aktionär bewusst sind und Ihre Ersparnisse in Aktien anlegen, die es wert sind, unterstützt zu werden.

Mit besten Grüssen

Canan Bayram

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