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Frage von Jonas S. •

Frage an Bülent Ciftlik von Jonas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Ciftlik,

als muslimischer Deutscher mit Migrationshintergrund habe ich das Gefühl, dass viele Deutsche zwar oft "Integration" sagen, aber "Assimilation" meinen. Wie, glauben Sie, können diese Menschen zum Umdenken bewegt werden? Ganz konkret: Was muss z. B. passieren, damit eine kopftuchtragende Frau von der Mehrheit der Gesellschaft nicht als ungebildete, nicht emanzipierte, unterdrückte Person angesehen wird?

Vielen Dank,
Jonas Simon

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Simon,

Sie sprechen ein Problem an, das regelmäßig für Diskussionen sorgt – sowohl bei Menschen mit als auch ohne so genanntem Migrationshintergrund. Mit der berechtigten Forderung nach Integration darf in der Tat nicht Assimilation, also die völlige Anpassung der Minderheit an die Mehrheit, gemeint sein. Daran kann nicht wirklich ein Interesse bestehen. Denn Integration und Identität bedingen einander, sie schließen sich nicht aus. Dennoch sind die Grenzen der jeweiligen Definition teilweise fließend. Und eine „Leitkultur“-Debatte, wie sie von der CDU ins Spiel gebracht wurde, ist hier sicherlich nicht besonders hilfreich, um Klarheit zu schaffen. Umdenken geht also nur durch Aufklärung. Und dies geschieht nur, wenn man miteinander spricht, und zwar konkret über Integrationspolitik. Worum geht es?

Mit dem ersten Zuwanderungsgesetz in der Geschichte Deutschlands wurde unter Bundeskanzler Schröder in 2005 eine seit 1955 bestehende Realität politisch und offiziell anerkannt: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Und noch wichtiger: Einwanderung muss politisch gesteuert werden. Viele Zuwanderer sind in dieser Zeit ihren Weg selbst gegangen, haben Familie, Freunde und Bekannte und auch gute Jobs gefunden oder haben sich selbstständig gemacht. Für sie ist eine besondere Integrationspolitik nicht notwendig. Sie partizipieren an den allgemeinen Entwicklungen unserer Gesellschaft. Integrationspolitik setzt also in erster Linie bei denjenigen an, die zum Teil seit vielen Jahren in Hamburg leben, zum Teil hier geboren oder groß geworden sind, und sich dennoch nicht dazugehörig fühlen. Nicht selten fühlen sie sich aufgrund ihrer Zuwanderungssituation benachteiligt.

Nur durch Selbstaktivierung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und besserer Vernetzung in unseren verschiedenen Stadtteilen können wir der Abschottungen, Verweigerungen und vor allem der Unwissenheit entgegentreten. Eine unter vielen Chancen in dieser Hinsicht bieten meines Erachtens Menschen mit Migrationshintergrund, da sie häufig die Kulturräume ihrer Familien leichter nachvollziehen und mit Sensibilitäten besser vertraut sind. Sie sollten daher aus meiner Sicht für ehrenamtliches Engagement begeistert werden, um den Menschen, die andere Kulturen nicht aus erster Hand kennen, ein akkurates Bild über selbige zu ermöglichen.

Mit dem Stigma, das Frauen, die ein Kopftuch tragen, leider manchmal voraus eilt, sprechen Sie ein religiöses Thema an, das auch in anderen Bereichen inzwischen eine hervorgehobene Rolle spielt. Die Parteien müssen dazu übergehen, mehr Vertrauen zu verschiedenen islamischen Gemeinden auszubauen. Wir alle sind der Pflicht, den Dialog zu führen und zu intensivieren. So kann beispielsweise über die Hintergründe des Tragens von Kopftüchern gesprochen werden. Und ich bin mir sicher, dass dann schnell klar wird, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, in ihrer überwältigenden Mehrheit mitnichten ungebildet oder gar unterdrückt sind. Und ich bin mir sicher, dass dann das Leben mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen als facettenreich und nicht als einengend, als gewinnbringend und nicht als bedrohlich empfunden wird.

Mit freundlichem Gruß

Bülent Ciftlik