Warum unterstützt die Bundesregierung die Länder nicht umfassend(er) bei der sozialen Unterstützung der Bevölkerung bei der Umsetzung europäischer Gesetze mit hohen individuellen Kostenaufwänden?
Geehrte Frau Haßelmann,
seit einiger Zeit besteht das EU-Gesetz, welches verordnet, dass kleine Klärgruben für höhere biologische Reinigungsstufen nachgerüstet werden müssen. Im konkreten stellt dieses (wie ich finde vernünftige) Gesetz jedoch für die Bewohnerinnen&Bewohner kleiner Dörfer wie dem, in dem viele meiner Familienangehörigen im nördlichen Saalekreis (Sachsen-Anhalt) leben, große Hürden dar. Die Umsetzung der neuen Gesetzesvorhaben bedeutet im praktischen nämlich de facto, dass alte Klärgruben durch neue mit biologischen Reinigungssystemen ersetzt werden oder die Häuser an die örtlichen Abwassersysteme ("Bürgermeisterkanal") angeschlossen werden müssen, was durch die zuständigen Behörden (WAZV/untere Wasserbehörde...) jedoch nicht gewollt ist (bspw. Begründet damit, dass, falls von einem Haus unsauberes Abwasser ins System gelangt, nicht konkret herausgefunden werden kann, wo die Ursache liegt). Nun entstehen pro Haushalt mehrere Tausend € Kosten, ohne Förderperspektiven.
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Frage. Frau Haßelmann hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.
Die von Ihnen angesprochenen notwendigen Änderungen gehen auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie zurück. Diese EU-Richtlinie ist ein wichtiges Instrument, um den Zustand der Gewässer in der EU und bundesweit zu verbessern und einen ökologischen guten Zustand herzustellen. Das ist dringend notwendig, weil Schadstoffe, wie Arzneimittel, Kosmetika, Pestizide und sonstige Chemikalien, aber auch die Klimakrise, unsere Gewässer stark strapazieren. Ziel ist es die Belastung von Natur, Umwelt und uns Menschen zu verringern.
Verantwortlich für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sind vor allem die Bundesländer, wobei auch der Bund für das Erreichen der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie an den Bundeswasserstraßen verantwortlich zeichnet. Die Bundesländer beschließen entsprechende gesetzliche Regelungen und stellen finanzielle Unterstützung bereit. So hat etwa das Bundesland Thüringen eine Vereinbarung zwischen dem Landesministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz und den kommunalen Abwasserentsorgern, vertreten durch den Gemeinde- und Städtebund Thüringen, getroffen, um Gewässer zu entlasten und einen höheren Anschlussgrad an das kommunale Abwassernetz zu erreichen („Abwasserpakt“). Darin sind auch Maßnahmen vorgeschlagen, wie jene Bereiche geregelt werden, wo eine zentrale Abwasserbeseitigung nicht möglich ist.
Im Jahr 2019 hat die EU-Kommission eine Evaluierung der Richtlinie 91/271/EWG des Rates (Kommunalabwasser-Richtlinie) vorgelegt. Es wurden drei wichtige Quellen für die im kommunalen Abwasser verbleibende Schadstofflast ermittelt, die vermieden werden könnten, nämlich Regenüberläufe und Einleitungen verschmutzter Siedlungsabflüsse, potenziell schlecht funktionierende individuelle Systeme (d. h. Systeme zur Behandlung von häuslichem Abwasser, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind) und kleine Gemeinden, die derzeit nicht vollständig unter die Richtlinie 91/271/EWG fallen. Diese drei Verschmutzungsquellen stellen eine erhebliche Belastung für unsere Gewässer dar. Auch vor diesem Hintergrund wurde auf EU-Ebene eine Aktualisierung der kommunalen Abwasser-Richtlinie vorbereitet. Dies wird auf Bundesebene im Rahmen der Abwasserverordnung umgesetzt, sobald die kommunale Abwasserrichtlinie der EU beschlossen ist.
Mit Blick auf die hohe Nitratbelastung in Gewässern ist die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen mit der Vorlage eines reformierten Düngegesetzes einen wichtigen Schritt vorangekommen. Damit sollen hohe drohende Strafen wegen einer EU-Vertragsverletzung abgewendet werden.
Mit besten Grüßen
Team Haßelmann