Frage an Britta Haßelmann von Jörg S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Wie gehen Sie eigentlich innerhalb Ihrer Partei damit um das sie mit der Unterstützung des Irak Krieges das Völkerrecht gebrochen haben? Und das als Grüne! Ich habe bis heute keine Entschuldigung in der Öffentlichkeit gegenüber dem Irak gehört? Die gleiche Frage habe ich auch einem Kollegen von Ihnen von der SPD gestellt.
Sehr geehrter Herr Stemmer,
vielen Dank für die Gelegenheit die Haltung der Grünen zum Irak-Krieg vor fünf Jahren darstellen zu dürfen. Mit zeitlichem Abstand besteht immer auch die Gefahr, dass etwas verkürzt und verzerrt dargestellt wird. Im Irak weiß man, dass Deutschland unter Schröder und Fischer gegen den Krieg war. Im Irak möchte man dass wir beim Wiederaufbau helfen. Unter dem rotgrünen NEIN zum Irak-Krieg hatte vor allem die Linke in Deutschland zu leiden. Die verpasste dadurch 2002 den Wiedereinzug in den Bundestag.
Nun fragen Sie, wie unsere Partei mit dem Irak-Krieg-Thema umgeht? Die Grünen dürften die einzige Partei sein, die sich in der Frage von "Krieg und Frieden" immer wieder bemüht, öffentlich Rechenschaft abzulegen und kritisch zu diskutieren. Die Grünen hatten 2006 auf dem Parteitag in Köln eine friedens- und sicherheitspolitische Kommission eingesetzt, die die rotgrüne Außen- und Sicherheitspolitik kritisch unter die Lupe nehmen und Empfehlungen für die Zukunft entwerfen sollte. Der Abschlussbericht wurde im August 2008 verabschiedet und auf dem jüngsten Parteitag in Erfurt diskutiert und zustimmend zur Kenntnis genommen. Er ist auf der Homepage der Partei (www.gruene-partei.de) unter dem Thema "Frieden" abrufbar. Dort gibt es auch ein Kapitel, das sich mit dem Irak-Krieg befasst. Der Bericht sei allen friedens- und sicherheitspolitisch Interessierten zur Lektüre empfohlen.
Die Grünen haben sich nach dem 11. September 2001, wie die rotgrüne Regierung insgesamt, permanent und vehement gegen ein militärisches Vorgehen gegen den Irak gewandt, das auf keiner zweifelsfreien völkerrechtlichen Grundlage beruht. Die irakische Regierung hatte zwar 2002 einige UN-Sicherheitsratsresolutionen nicht zu voller Zufriedenheit umgesetzt. Aber die Beweise, die die US-Regierung für Massenvernichtungswaffen oder die Unterstützung von Terroristen durch das Regime von Saddam Hussein vorlegten, überzeugten nicht. Das "I am not convinced", das Außenminister Fischer dem damaligen Verteidigungsminister Rumsfeld öffentlich entgegenhielt, entsprach der Grundhaltung vieler Bürgerinnen und Bürger. Unter den 500.000 DemonstrantInnen, die am 15. Februar 2003 in Berlin und anderswo gegen einen Irak-Krieg demonstrierten waren, viele Grüne.
Das deutsche NEIN zum Irak-Krieg hat Europa tief gespalten. Das deutsch-amerikanische Verhältnis war auf einem Tiefpunkt. Der rotgrünen Regierung wurde von Seiten der Union, FDP und vielen Kommentatoren vorgeworfen, durch den offenen Widerspruch zu Washington einen Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik zerstört zu haben. Damals war die Frage, würde die Bundesregierung es vor dem Hintergrund der deutsch-amerikanischen Geschichte wagen, den USA Überflugrechte und die Nutzung der US-Militärbasen in Deutschland zu verweigern? Sie hat es nicht getan. Sie hat sogar ihre Bemühungen verstärkt, US-Militärbasen in Deutschland und US-Schiffe im Golf von Aden gegen terroristische Anschläge zu schützen.Man kann sich fragen, hat die damalige Bundesregierung in der Tat alles Denkbare unternommen, um dem Rad in die Speichen zu greifen. Aber welche politische Kraft hätte das damals unter den damaligen Umständen gekonnt? Und zu welchem Preis? Wäre das nicht für lange Zeit das AUS in den transatlantischen Beziehungen gewesen? Jenes AUS, dessen Merkel, Westerwelle und andere Rotgrün schon bezichtigten und das auch Linke in Deutschland herbeisehnten?
Ich persönlich bin dankbar, dass Kanzler Schröder und Außenminister Fischer die Weitsicht und den Mut hatten, zu widersprechen und keine deutsche Truppen in diesem Irak-Krieg zu beteiligen. Die Geschichte gab Ihnen recht. Ich bin sicher, viele Irakis und die übergroße Mehrheit der BundesbürgerInnen wissen das bis heute zu schätzen.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann