Portrait von Britta Haßelmann
Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
93 %
117 / 126 Fragen beantwortet
Frage von Ingo B. •

Frage an Britta Haßelmann von Ingo B. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Hasselmann,

ist es Ihrer Meinung nach Sozial, wenn ein Selbständiger mit seinem Firmenwagen zu einem Kunden fährt und er diese Kosten voll von seinem Einkommen absetzen darf - dagegen ein nichtselbständig Beschäftigter die Anfahrtskosten zu seinem Arbeitgeber nur eingeschränkt steuerlich gelten machen kann?

Kürzlich habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein großer Teil der Neuwagenkäufe Dienstfahrzeuge sind und diese Dienstwagenkäufe Milliarden Euro steuerreduzierend wirken.

Auf mich als Angestellter wirkt das so als wenn es in Deutschland Menschen erster Klasse (Unternehmer) und Menschen zweiter Klasse (Angestellte und Arbeiter) gibt.

Wie bitte erklären Sie sich den steuerlichen Unterschied bei beruflich genutzten Fahrzeugen?

Mit freundlichem Gruß aus Bielefeld

Ingo Buntrock

Portrait von Britta Haßelmann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Buntrock,

vielen Dank für Ihre Frage.
Es ist so wie Sie schreiben, dass es steuerliche Vorteile für die Nutzung von Dienstwagen gibt. Rund 60 Prozent aller neuen Fahrzeuge werden als Dienstwagen von den Autokonzernen bzw. Autohändlern verkauft. Bei den großen Fahrzeugen sind es sogar mehr als 80 Prozent. Wir haben Grüne Vorschläge zur CO 2 abhängigen steuerlichen Entlastung von Dienstwagen ins Parlament eingebracht (Antrag 16/10978). Die Reform der Dienstwagenbesteuerung ist überfällig.
Es ist unbestreitbar, dass die Anforderungen der modernen Arbeitswelt eine immer höhere Mobilität und Flexibilität der Bürgerinnen und Bürger einfordern. Andererseits ist es aber dringend nötig, Subventionen und staatliche Vergünstigungen abzubauen und eine ökologische Steuerungsfunktion wahrzunehmen. Wir Grüne haben deshalb stets für eine einheitliche Entfernungspauschale auf niedrigerem Niveau plädiert, die für jeden Verkehrsträger und jeden zurückgelegten Kilometer gleich hoch wäre. Diese Lösung wäre einfach und praktikabel.
Die Streichung der ersten 20 Kilometer in der Pendlerpauschale war ein steuerpolitischer Sündenfall von CDU/CSU und SPD. Wir haben diese Streichung immer abgelehnt, weil die Ungleichbehandlung von kurzen und weiten Wegen zum Arbeitsplatz ungerecht ist und nicht verfassungsgemäß sein kann. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung (Az. VI B 42/07) vom 06.09.2007 verfassungsrechtliche Bedenken an der derzeitigen Ausgestaltung der Pendlerpauschale veröffentlicht. Vermutlich wird das Bundesverfassungsgericht noch vor Weihnachten die Wiedereinführung der Entfernungspauschale ab dem ersten Kilometer als beruflich veranlasste Werbungskosten erzwingen. Die komplette Wiederherstellung der alten Pendlerpauschale von 30 Cent/km ab dem ersten Kilometer würde den Fiskus 2,5 Mrd. EUR kosten. Das ist haushaltspolitisch unhaltbar.
Für die Kraftfahrzeugsteuer haben die Grünen bereits im März 2008 einen Vorschlag zur CO 2 abhängigen KFZ-Besteuerung eingebracht (Antrag 16/8538). Die große Koalition hat es seit drei Jahren nicht zu Stande gebracht, diese von ihr angekündigte Reform zu verwirklichen, um endlich Rahmenbedingungen und damit Anreize für umweltverträglichere Autokaufentscheidungen zu setzen.
Für Arbeitnehmer gibt es verschiedene Varianten der steuerlichen Entlastung im Einkommensteuerrecht. Angesichts der Kostensteigerung für privat genutzte Kraftfahrzeuge für betriebliche Fahrten hat das Bundesfinanzministerium die LohnSteuerRichtlinie (LStR) 2008 erlassen. Mit Hilfe dieser Richtlinie kann ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der ein privates Fahrzeug für betriebliche Fahrten nutzt, die ihm tatsächlich entstandenen Aufwendungen steuerfrei erstatten.

Drei unterschiedliche Varianten sind dabei möglich:

1) Erstattung der tatsächlich entstandenen Gesamtkosten (LStR 2208, R.9.5, Abs. 1), der Arbeitnehmer muss die ihm entstandenen Kosten (z.B. Benzin, Wartungs- und Reparaturkosten, Fahrzeugversicherung, KfZ-Steuer) für das Fahrzug einzeln anhand von entsprechenden Belegen nachweisen. Der Arbeitnehmer unterscheidet dann die gefahrenen Kilometer in die für die Arbeit gefahrenen und in die privat gefahrenen und kann sich dann die tatsächlich nachgewiesenen Kosten vom Arbeitgeber erstatten lassen. Es ist auch möglich, dass der Arbeitgeber die für den Betrieb gefahrenen Kilometer nach den pauschalen Sätzen erstattet und der Arbeitnehmer die übersteigende Differenz im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung als Werbungskosten geltend macht.
2) Der Arbeitnehmer kann auf Grund der für einen Zeitraum von zwölf Monaten ermittelten Gesamtkosten für das von ihm gestellte Fahrzeug einen Kilometersatz errechnen, der so lange angesetzt werden darf - also auch über mehrere Jahre hinweg - bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern (LStR 2008 R.9.5 Satz 4)
3) Die dritte Variante entspricht dem von Ihnen bisher verwandtem Verfahren - die Erstattung der Fahrtkosten nach dem pauschalen 0,30 Euro/km Satz. (LStR 2008 R.9.5 Satz5).
Gewiss ist es für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des sozialen Dienstes aufwendiger, die einzelnen Belege zu sammeln (Variante 1) anstatt wie bisher die 0,30 Euro/km pauschal abzurechnen. Aber vielleicht ist es eine Möglichkeit, die Mehrkosten auf diese Weise erstattet zu bekommen.

Herzliche Grüße
Britta Haßelmann

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Britta Haßelmann
Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen