Frage an Britta Haßelmann von Lutz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Haßelmann,
ich bin Lehrer am Rudolf-Rempel-Berufskolleg in Bielefeld und unterrichte u.a. das Fach: "Gesellschaftslehre mit Geschichte" im Wirtschaftsgymnasium. Es gehört zu meinen Aufgaben Schülerinnen und Schülern die "Werte" Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln.
Das Thema „Lobbyismus“ spielt im Unterricht eine zentrale Rolle. Wie soll ich der Klasse die Wirkungen des Personalaustauschprogramm namens ´´Seitenwechsel´´ erklären? Etwa 300 Vertreter deutscher Großkonzerne haben in Bundesministerien eigene Schreibtische bezogen. Bezahlt werden sie von den Unternehmen. Sie arbeiten an Gesetzen mit und sind politisch immer am Ball. Wie können solche Praktiken wirksam unterbunden werden? Wie können die Auskunftsrechte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in diesem Zusammenhang verbessert werden. Wäre dieses Thema ohne eine Recherche von Medien überhaupt publik geworden.
Mit freundlichem Gruß
Lutz Havemann
Sehr geehrter Herr Havemann,
gegen ein echtes Austauschprogramm wäre grundsätzlich nichts einzuwenden. Vom gegenseitigen Wissenstransfer können beide Seiten profitieren. Aber: Bei 12 Beschäftigten der Bundesverwaltung, die in der Wirtschaft hospitiert haben, und einigen Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pro Jahr aus Wirtschaft und Verbänden in der Bundesregierung kann man davon aktuell wohl nicht sprechen.
Der Bundesrechnungshof hat kürzlich mit einem Bericht über Lobbyisten als MitarbeiterInnen in der Bundesregierung Alarm geschlagen und auf eine derzeit problematische Praxis in Ministerien hingewiesen. Die Untersuchung der obersten Rechnungshüter gibt uns in vollem Umfang Recht:
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert beim Einsatz von externen MitarbeiterInnen und Mitarbeitern mehr Transparenz und den Ausschluss von Interessenskollisionen. Die Bundesregierung ignoriert nicht nur seit Jahren das Problem, sondern hat sogar das Parlament in der Vergangenheit wahrheitswidrig unterrichtet. Mal hieß es, alle MitarbeiterInnen würden von der Bundesregierung bezahlt. Und mal, es gebe kaum externe MitarbeiterInnen. Sie würden nicht an Gesetzentwürfen und Verordnungen mitarbeiten. Wie die Expertise des Rechnungshofs jetzt belegt, waren diese Informationen falsch.
In einem Bundestagsantrag (BT-Ds 16/8762) fordern wir die Bundesregierung auf, die gegenwärtige Praxis zu beenden und die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes schnell umzusetzen.
Die wichtigsten Punkte dieses Antrags sind:
- keine Befassung der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Aufgaben, die die Interessen der entsendeten Stelle (Unternehmen) tangieren;
- absolute Transparenz gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesregierung, dem Parlament und allen dritten Stellen;
- zeitliche Begrenzung grundsätzlich auf sechs Monate und Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der aufnehmenden Stelle;
- die Beschäftigung muss im Bundeshaushalt ausdrücklich durch Haushaltsvermerke verankert und vom Haushaltsgesetzgeber genehmigt werden.
Im Übrigen haben wir als Bundestagsfraktion und als einzelne Abgeordnete, den Bundestagspräsidenten bereits zu Beginn der laufenden Legislaturperiode aufgefordert im Interesse der Transparenz die Nebeneinkünfte aller Abgeordneten zu veröffentlichen, so wie dies vom Parlament in der letzten Legislaturperiode beschlossen wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann