Frage an Britta Haßelmann von Oppermann W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Haßelmann,
der Schweizer Wochenzeitung habe ich entnommen, dass im Rahmen von Freihandelsabkommen zwischen Staaten sogenannte "Schiedsverfahren" eingerichtet werden. Darin können Unternehmen für entgangene Gewinne Schadensersatz von öffentlichen Stellen einfordern. So soll das schwedische Unternehmen Vattenfall in solch einem Verfahren von Deutschland 3,7 Mrd. € forden für die Stillegung von Atomkraftwerken durch die Energiewende.
Dazu habe ich folgende Fragen:
Gibt es diese Forderung von Vattenfall tatsächlich und wenn ja, wie hat das Schiedsverfahren entschieden?
Wer sind die Schiedsfrauen/-männer? Wer setzt sie ein? Handelt es sich um erfahrene Richter?
Warum finden die Schiedsverfahren nicht grundsätzlich öffentlich statt? Es geht ja um öffentliche Gelder, also Geld von uns Steuerzahlern.
Sollen durch das gerade verhandelte Freihandelsabkommen mit den USA auch solche "Schiedsverfahren" zwischen Deutschland und den USA eingeführt werden?
Walther Oppermann
Sehr geehrter Herr Oppermann,
vielen Dank für Ihre Frage zum Schiedsverfahren zwischen Vattenfall und der Bundesrepublik Deutschland. Das Schiedsverfahren befindet sich derzeit beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Solche Schiedsgerichtsverfahren sind heutzutage keine Seltenheit im internationalen Handelsrecht. Der Gedanke dabei ist, dass westliche Unternehmen ihre Investitionen in „unsicheren“ Ländern abgesichert bekommen. Es gewinnt fast immer das Unternehmen und dann müssen betroffene Staaten Schadensersatz zahlen. Die Besonderheit ist aber nun, dass immer öfter auch Rechtsstreitigkeiten mit Industriestaaten in sogenannten „Investor-Staat-Verfahren“ ausgehandelt werden. Das internationale Schiedsgericht sitzt in Washington und besteht aus drei Personen, die von den Prozessparteien gemeinsam bestimmt werden. Faktisch entscheiden diese, sehr intransparent und ohne Möglichkeit der Revision, über die entsprechenden Klagen. Häufig wird aus dem Blickwinkel der Investitionssicherheit geurteilt, deshalb fallen Urteile meistens zu Ungunsten von Sozial- oder Umweltauflagen aus. Die Verfahren sind geheim, weil es dabei häufig auch um Unternehmensgeheimnisse geht. Die Beteiligten und das bisherige Prozessgeschehen sind auf der Website des ICSID genauer aufgeführt. < https://icsid.worldbank.org/ICSID/FrontServlet?requestType=CasesRH&reqFrom=ListCases&caseId=C2220&actionVal=viewCase >
Eine Reform der Investitionsschutzabkommen und der Schiedsgerichtsbarkeit ist notwendig. Wir haben als grüne Bundestagsfraktion zum Schiedsverfahren zwischen Vattenfall und der Bundesrepublik auch eine Kleine Anfrage an die Regierung gestellt (Bt.-Drs < http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/105/1710584.pdf >. 17/10584) .Etwas substanzielles wurde dem Parlament jedoch nicht mitgeteilt, Informationen über das laufende Verfahren sind für Abgeordnete nur in der Geheimschutzstelle einsehbar. Vattenfall hat die Bundesrepublik zweimal verklagt. Als das Kraftwerk Moorburg auf Grund des Widerstandes der Bevölkerung nicht pünktlich fertig gebaut wurde, erstritt sich Vattenfall eine Milliardensumme. Nun versucht Vattenfall dies in puncto Atomausstieg wieder. RWE, EOn und EnBW dürfen nicht klagen – Vattenfall ist ein ausländischer Konzern.
Wir Grünen finden es grundsätzlich richtig, dass Unternehmen bei Investitionen im Ausland einen gewissen Schutz bekommen. Investoren benötigen für ihre Entscheidungen stabile und klare Rahmenbedingungen. Aber das heutige Investitionsschutzsystem ist einseitig geworden und untergräbt sozial-ökologisch Standards, denn immer öfter wird gegen bestehende Umwelt- oder Arbeitsschutzauflagen geklagt. Deshalb haben wir auch im Januar in einem Fraktionsbeschluss detaillierte Forderungen für eine Reform des Investitionsschutzes aufgestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann