Frage an Boris Mijatović von Jonas E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mijatovic.
ich wüsste gerne von Ihnen, wie Ihre Position zur Gleichsetzung von Links und Rechts ist. Meiner Meinung nach ist derzeit ein bedenklicher Rechtsruck in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu beobachten welcher vor allem auch mit dem Schwinden sozialer Gerechtigkeit zusammenhängt. Bedauerlicherweise sind auch immer wieder aus den Reihen der grünen Partei Stimmen zu vernehmen welche linke Positionen abwerten indem diese mit rechten Positionen auf eine Stufe gesetzt werden. Ist Ihrer Meinung nach ernsthaft eine konsequente Positionierung gegen rechte Hetze (wie wir sie in Kassel beispielsweise durch KAGIDA aber auch die AfD immer wieder erleben mussten) mit rechter Gewalt gleichzusetzen? Wie würden Sie sich im Falle einer Grün Schwarz (Gelben) Koalition im Bundestag positionieren, wenn der derzeitige Innenminister Thomas de Maizière Programme gegen Rechtsextremismus einschränken will, weil er die Auffassung vertritt das da zuviel gemacht würde?
Zudem wüsste ich gerne von Ihnen, wie Sie und die Grünen als Partei ohne eine Vermögenssteuer die diesen Namen auch verdient notwendige Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik vornehmen möchten beispielsweise bei Harz 4 aber auch bezogen auf den sozialen Wohnungsbau (dessen faktisches nicht vorhanden sein logischerweise eng mit den explodierenden Mieten zusammenhängt)?
Bezüglich der Umweltpolitik der Grünen würde ich Ihnen gerne eine persönliche Frage stellen: Sind Sie tatsächlich vornehmlich Radfahrer (wie sie es auf Ihrem Plakat "Dynamisch in den Bundestag" suggerieren oder sind Sie Autofahrer? Und falls Sie Autofahrer sind wüsste ich gerne ob Sie einen Klein-, Mittel- oder Oberklassewagen fahren und ob es sich dabei um einen Diesel handelt? Ich selbst bin Radfahrer und sehe ein großes gesellschaftliches Problem im zunehmend stärker motorisierten Autoverkehr.
Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen! Mit freundlichem Gruß, J. E.
Sehr geehrter Herr J. E.,
die Erfolge rechtspopulistischer Gruppierungen in Europa bereiten mir persönlich große Sorge. Im letzten Jahr (2016) haben wir weltweit einige Wahlentscheidungen erlebt, die wir bis dahin so nicht für möglich gehalten hätten. Die Entscheidung in Großbritannien zum EU-Austritt, die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sowie die Meldungen aus Polen und Ungarn zur Flüchtlingsfrage geben Anlass zu großer Sorge. Verstärkt wird der Hang zu Populismus durch eine hektische Meldeflut in den sozialen Netzwerken. Internetpräsenzen wie Political Incorrect und andere mehr setzen bewusst auf Fehlinformation und hetzen gegen Minderheiten. Dennoch glaube ich, dass sich der Einsatz für Demokratie und Solidarität lohnt. Ich will alles daran setzen, diese Staatsform und den Austausch in den Parlamenten mit Sachargumenten zu schützen und zu stärken.
In der Stadt Kassel haben wir eine regelmäßige und unerträgliche Diskriminierung durch KAGIDA gemeinsam mit vielen gesellschaftlichen Akteuren stoppen können. Hier verbindet uns die klare Absage an Ausgrenzung und Diskriminierung. Das Kasseler Bündnis gegen rechts hat sich handlungsfähig gezeigt. Ein „Islamisierung des Abendlandes“ und damit der Aufbau von Vorurteilen zu Feindbildern muss aber weiterhin verurteilt werden. So eine fremdenfeindliche Haltung ist brandgefährlich für unser friedliches Gemeinwohl.
Ich selbst habe an der Organisation der Demos mitgewirkt. Rassismus, Sexismus und Homophobie dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Deshalb wäre es, auch im Angesicht der gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland, die absolut falsche Reaktion, Programme gegen Rechtsextremismus zu reduzieren. Ich will mich weiterhin für unsere offene Gesellschaft einsetzen und diese nach Kräften gegen extreme Positionen verteidigen.
Im Gegensatz zu rechten Äußerungen sind viele als links bezeichnete Forderungen nicht gegen unsere Verfassung oder Menschen gerichtet. Deshalb sehe ich einen Unterschied zwischen linken und rechten Positionen. Dennoch ist Gewalt nicht zu tolerieren – weder von links, noch von rechts oder religiös motiviert. Im Übrigen schadet Gewalt grundsätzlich dem Anliegen einer gerechten Gesellschaftsform. Die eigentlichen Ziele, die oftmals wichtig und berechtigt sind, werden durch Krawall und Chaos aber vollständig verdeckt (siehe Hamburg).
In Bezug auf die Fragen zur Sozialpolitik, möchte ich Sie einladen sich unser Wahlprogramm und die darin enthaltenen Aussagen anzuschauen. Ich bin mir nicht sicher, welcher Teilaspekt des weitgefassten Feldes sie besonders interessiert. Wir haben auf jeden Fall eine Menge gute sozialer Ideen und Aussagen für eine solidarische Gesellschaft. Wenn Sie das grüne Wahlprogramm öffnen (www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017_barrierefrei.pdf) können Sie mit der Suchen-Funktion (STRG + ‚F‘) zum Test und zur Übersicht folgende Begriffe eingeben: #familienbudget #vermögenssteuer #erbschaftssteuer #garantierente #rechtsextremismus #grundeinkommen #bürger*innenversicherung
Ich persönlich will im Wahlkampf die Themen Fair Chancen, gute Bildung und echten Klimaschutz vorstellen. Ich bin sicher, dass Integration nur dann gelingen kann, wenn Bildungschancen nicht länger am Einkommen oder der Herkunft der Eltern liegt. Und dabei beziehe ich Integration als sozialen Begriff über die Migrationsgesellschaft hinaus auf alle gesellschaftlichen Gruppen. Meiner Meinung nach ist Bildung ein entscheidender Schlüssel dafür, dass Menschen faire Chancen haben, ihr Leben als Teil dieser Gesellschaft aktiv selbst zu gestalten.
Last not least zur Frage nach dem Auto: meine Frau hat eine 12 Jahre alte C-Klasse (Benziner). Ich selbst habe kein Auto und bewege mich vorwiegend zu Fuß und per Fahrrad oder auch per Bus und Bahn durch die Stadt und das Land.
Ich freue mich ,wenn Ihnen meine Antwort bei der Wahlentscheidung hilft. Ich werbe für die Zweitstimme für Bündnis90/ DIE GRÜNEN.
Mit freundlichen Grüßen
Boris Mijatovic