Was bedeutet Frieden?
Sehr geehrter Herr Mijatovic,
ich möchte gerne wissen, wie Sie Frieden definieren.
In Ihren Abstimmungen ist mir aufgefallen, dass sie diversen Bundeswehreinsätzen und -verlängerungen in anderen Ländern zugestimmt haben.
Ursprünglich begannen die Grünen nicht nur als Ökopartei, sondern auch als Friedenspartei. Natürlich sind Sie nicht für die letzten 30 Jahre der Grünen verantwortlich. Aber ich frage mich, wie viel von echter Friedenspolitik übrig geblieben ist. Heutzutage scheint Friedensarbeit nur noch Waffenlieferung zu entsprechen. Sie haben zwar gegen schwere Waffenlieferung an die Ukraine gestimmt, aber für die extra 100 Mrd. für die Bundeswehr. So viel Geld wäre tausendmal besser aufgehoben in unserer maroden Bildung oder in unserem nicht ambitionierten Klimaschutz.
Ich habe eine vierjährige Tochter und mache mir angesichts der fortschreitenden Militarisierung und der Aussage unseres Verteidigungsministers Deutschland müsse allen Ernstes "kriegstüchtig" werden, große Sorgen.
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Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre engagierte und kritische Frage sowie für Ihr Interesse an einer nachhaltigen Friedenspolitik. Gerne möchte ich Ihnen erläutern, wie ich als Bundestagsabgeordneter und menschenrechtspolitischer Sprecher meiner Fraktion Frieden definiere und welche Überlegungen unseren Entscheidungen zugrunde liegen, Bundeswehrmandate zu beschließen und zu verlängern.
Für mich ist Frieden weit mehr als die Abwesenheit militärischer Konflikte – er bedeutet, ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde zu führen. Zentral hierfür ist die regelbasierte internationale Ordnung, die als Fundament unseres Friedens dient. Eine Ordnung, die auf internationalen Regeln, Rechtsstaatlichkeit und gemeinsamen Werten basiert, schafft die Bedingungen, unter denen Konflikte auf diplomatischem und zivilgesellschaftlichem Wege gelöst werden können.
Putins Russland stellt eine der größten Bedrohungen für unseren Frieden und die Sicherheit in Europa dar. Das gewaltsame Verschieben von Grenzen darf nicht erfolgreich sein. Wenn sich Putins imperialistische Bestrebungen als Aggressor gegenüber dem Völkerrecht durchsetzen, gefährdet das den Frieden. Indem wir die Ukraine dabei unterstützen, ihre Souveränität und Freiheit zu verteidigen, leisten wir einen aktiven Beitrag zur Sicherung eines Friedens, der auf Freiheit basiert. Dieser Einsatz steht nicht im Widerspruch zu einem friedensorientierten Politikverständnis, sondern verdeutlicht die untrennbare Verbindung von Freiheit und Sicherheit. Ein stabiles und selbstbestimmtes Nachbarland stärkt zudem die gesamte europäische Friedensordnung.
Die Auslandseinsätze unserer Bundeswehr müssen stets im Rahmen des Völkerrechts erfolgen und in multilateral abgestimmte Strategien eingebettet sein. Dabei greifen diplomatische, entwicklungspolitische und militärische Maßnahmen ineinander, um langfristig stabile Friedensprozesse zu fördern. Als Grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns dafür ein, dass die Mitbestimmung, Kontrolle und Evaluierung der Bundeswehrmandate kontinuierlich verbessert wird. Nur so können wir sicherstellen, dass Einsätze transparent und verantwortungsvoll durchgeführt werden.
Im Januar hat der Bundestag die Verlängerung verschiedener Bundeswehrmandate beschlossen. Ein Beispiel ist die Verlängerung des Bundeswehrmandates im Rahmen der Mission UNMISS. Diese vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene Mission hat zum Ziel, die Zivilbevölkerung im Südsudan zu schützen und die Umsetzung des Friedensabkommens vom 12. September 2018 sowie des dazugehörigen Friedensprozesses vor Ort zu unterstützen.
Die Aufgaben der Bundeswehr bei der Mission im Südsudan sind sehr vielfältig. Sie umfassen den Schutz der Bevölkerung, die Wahrung der Menschenrechte, die Förderung eines sicheren Umfeld für spätere und freiwillige Rückkehr von Vertriebenen und Geflüchteten, den Zugang für humanitäre Hilfe und Sicherheit und Bewegungsfreiheit des Personals der Vereinten Nationen vor Ort zu sichern, die Dokumentation und Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht sowie Hilfe bei technischer Ausrüstung und Ausbildung anderer truppenstellender Nationen und für die Vereinten Nationen. Ich hatte selbst die Gelegenheit, im letzten Herbst im Rahmen einer Delegationsreise des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Südsudan das deutsche Personal der UNMISS-Mission zu besuchen und mich über deren Arbeit auszutauschen.
Als Grüne Bundestagsfraktion stehen wir zu unseren Bündnisverpflichtungen und dem damit verbundenen notwendigen Ausbau unserer Fähigkeiten. Dafür braucht es verlässliche Finanzierung mit einem Verteidigungsetat. gleichzeitig brauchen wir eine starke Diplomatie, ausreichend humanitäre Hilfe und Mittel für Partnerschaften in der Welt für die ich mich insbesondere als Sprecher für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe in meiner Fraktion einsetze.
Ich kann Ihre Sorgen als Elternteil gut nachvollziehen – die Herausforderungen unserer Zeit sind enorm. Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in die Überlegungen und Grundprinzipien geben, die unsere Friedenspolitik prägen, und gleichzeitig verdeutlichen, dass wir auch andere zentrale Themen wie Klimaschutz und Investitionen in die Bildung aktiv angehen. Für mich schließen sich diese Politikfelder keinesfalls aus.
So haben wir in der vergangenen Legislaturperiode im Bildungsbereich einiges auf den Weg gebracht. Das Startchancen-Programm, der Digitalpakt 2.0., das Zukunftsinvestitionsprogramm Bildung, die BAföG Reform, das Kita-Qualitätsgesetz und die Einführung des Kulturpasses sind nur einige Beispiele. Auch für ambitionierten Klimaschutz konnten wir wichtige Weichen stellen. So haben wir als Ampelkoalition auf Grünes Bestreben einige Umwelt- und Energiegesetzespalet beschlossen und eine Ausbauoffensive für erneuerbare Energien in Gang gesetzt. Der Anteil der Erneuerbaren wächst immer schnell auf neue Höchststände und auch die Strompreise sind wieder gesunken. Allein 2024 hat sich die Zahl der Balkonkraftwerke in Deutschland verdoppelt. Einige Beispiele dafür sind die EEG-Novelle, durch die auch der Ausbau von Solarenergie verbessert wurde, das Solarpaket und Fortschritte im Planungs- und Genehmigungsverfahren von Windenergie. Unser Kanzlerkandidat Robert Habeck hat in seiner Zukunftsagenda für das erste Regierungsjahr Klimaschutz und Bildung als zwei der wichtigsten Politikfelder herausgestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Boris Mijatovic