Frage an Bodo Ramelow von Olivia von A. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)
Sehr geehrter Herr Ramelow!
Sie sind erst nach der Wende zu uns nach Thüringen gekommen und haben vor allem Karriere in Ihrer Partei gemacht. Ich frage mich, wie sehr Sie mit ihren vielen anderweitigen Interessen, überhaupt die Bedürfnisse und Befindlichkeiten von uns Thüringern kennen.
So haben Sie beispielsweise zunächst erwogen im Wahlkreis Erfurt zu kandidieren, es dann aber vorgezogen hier im Saale-Holzland-Kreis, Jena und Gera anzutreten. Welche Gründe gab es für diese Umorientierung? Welche konkrete Beziehung haben Sie zu diesem Wahlkreis? Für mich sieht es ein wenig so aus, als hätten Sie sich unsere Region ausgewählt, um sicher in den Bundestag zu kommen. Weshalb haben Sie sich gerade diesen Wahlkreis ausgewählt? Verraten Sie uns Ihren Wohnsitz? Auf Ihrer Website habe ich nur einen einzigen Wahlkampftermin im Wahlkreis gefunden. Ansonsten sind Sie eher bundespolitisch fernab in Berlin und anderswo unterwegs. Wollen Sie das auch so beibehalten, falls Sie tatsächlich gewählt werden? Werden Sie Büros im Wahlkreis einrichten und wenn ja, wo könnten diese sein? Wie wollen Sie für die Bürger erreichbar sein - weiterhin über das Büro im Erfurter Landtag?
Ich habe leider das Gefühl, dass Sie vor allem Bundespolitik für die Linken machen wollen und Karriere in Ihrer Partei. Daher befürchte ich, dass wir hier in "Vergessenheit" geraten, wenn Sie als Direktkandidat für uns in den Bundestag einziehen sollten. Können Sie mich vom Gegenteil überzeugen?
MfG
Olivia v. Aue
Sehr geehrte Frau von Aue,
ich bedanke mich für Ihre freundliche Nachfrage. Die persönliche Karriere stand für mich nie an erster Stelle. Der Job in Thüringen und im jetzigen Wahlkampf ist ein Knochenjob, der kaum Zeit für die Familie lässt. Es war immer mein Stil, in Phasen der Veränderung zuzupacken, nicht zu warten, ob jemand anders es tut. Mein Wohnsitz ist in Erfurt, einen weiteren werde ich in Berlin haben. Meine Kinder sind in Hessen. So pendele ich zwischen verschiedenen Orten. Ein klassisches Familienleben mit fröhlichem Vorgarten und Rasenmäheridylle ist mir nicht vergönnt.
Schon nach der Wende habe ich in Ostthüringen im Rahmen der Umgestaltung der Betriebe an der Seite der Arbeitnehmer gestanden und bin für ihre Interessen eingetreten. Mein Mitbewerber im Wahlkreis, Herr Blumentritt, der damals Betriebsrat bei MITROPA war, kennt mich als engagierten Streiter für Arbeitnehmerrechte. Ich habe den verzweifelten Kampf des Ostthüringer Konsums begleitet und geprägt. Und Orte wie Trockenborn und Weißenborn sind mir wohl vertraut, genauso wie die Tourismus-Konzeption zur Vermarktung der Saale, die mir am Herzen liegt. Ich könnte weitere Betriebe mit Initiativen aufzählen, bei denen deutlich wird, dass Thüringen und Ostthüringen mir ein besonderes Anliegen sind. Ich wohne in Erfurt, aber Thüringen endet für mich nicht am Hermsdorfer Kreuz. In Erfurt war ich lange ehrenamtlich aktiv in einer Wohnungsbaugenossenschaft. In meinem derzeitigen Wahlkreis als Landtagsabgeordneter kümmere ich mich auch derzeit um anstehende Details. Ich kenne mich bei den Problemen der Verkehrsführung vor einer Grundschule in Gispersleben genauso aus wie beim Problem der fehlenden Abfahrt in Schwerborn. Um praktische Probleme kümmert sich ein Team von engagierten, z.T. ehrenamtlichen Mitarbeitern, die die Dinge vor Ort anpacken.
Ich versichere Ihnen, dass der Bundestagswahlkreis Erfurt für mich nie zur Disposition stand. Das waren reine Spekulationen der Presse. Schon sehr früh hat mich unser Landesvorsitzender, Herr Hausold (aus Gera), darum gebeten, im Wahlkreis 195 anzutreten, weil damit eine Chance besteht, den Wahlkreis möglicherweise direkt zu gewinnen. In jedem Fall wird mein landespolitisches Engagement mit der Wahl am 18.9. beendet sein. In jedem fall werde ich im Wahlkreis 195 ein Wahlkreisbüro für Bürger eröffnen. Eine Präsenz mit Personen im künftigen Wahlkreisbüro ist jetzt schon in Planung. Die moderne Kommunikation macht es darüber hinaus möglich, auch wenn man nicht am Ort ist, schnell genaue Informationen über die Brennpunkte in der Region zu erlangen.
Ich verweise gern bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das Potenzial des Wahlkreises 195, das leider in der Region zu wenig gemeinsam entwickelt und außerhalb zu wenig beachtet wird. Warum sollte der gestresste Autofahrer am Hermsdorfer Kreuz nicht angeregt werden, anzuhalten und im Mühltal übernachten? Ein Hinweis bräuchte man nur an der Autobahn ausschildern. Warum sollte nicht schon jetzt die BUGA zur zentralen Herausforderung und Aufgabe im Ostthüringer Raum werden? Seien Sie versichert, dass ich mit den Problemen bei Carl Zeiss und bei Jenapharm, seit der Schering-Konzern Jenapharm übernommen hat, genauso vertraut bin wie mit dem Überangebot an Einzelhandelsflächen in Gera und der mangelnden Kooperation im Wahlkreis 195, die überwunden werden muss.
Ich habe in über 15 Jahren nicht einmal die einzelnen Standorte des Dorfkonsums in Ostthüringen vergessen. Mein Anliegen ist es, den Ostthüringer Raum gemeinsam mit der Region Altenburg und Schmölln sowie angrenzenden Räumen zur Drehscheibe zwischen drei Bundesländern zu machen. Ich danke ausdrücklich für den Hinweis, dass meine Wahlkampftermine zeitweilig nicht ausführlich auf meiner homepage waren. Also, was die Anzahl meiner Wahlkampftermine betrifft, so habe ich bisher in Thüringen insgesamt 70, davon in meinem Wahlkreis 32 Veranstaltungen durchgeführt. In den letzten Tagen war ich u.a. in Eisenberg, Stadtroda und Jena, wo ich in Gesprächsrunden und an Informationsständen aufgetreten bin. Bis zum Wahltag werde ich aus jetziger Sicht an mindestens 20 weiteren Veranstaltungen teilnehmen. Sie können sich gern in meinem Büro in Erfurt unter der Telefon-Nr. 0361-3772620 erkundigen. Wir mailen Ihnen gern die Termine der nächsten Tage zu. Sie können sich auf jeden Fall darauf verlassen, dass ich an Problemen sehr hartnäckig dranbleibe. Ich hoffe, dass ich Sie etwas vom Gegenteil überzeugen konnte.
Mir freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow