Frage an Bodo Ramelow von Erich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Herr Ramelow,
Sie sind eine Partei eingetreten, die aus 70% ehemaligen SED - Mitgliedern besteht. Die Verbrechen dieser Partei gegen die Menschlichkeit sind bekannt. Wollen Sie eine EDEL - DDR errichten und dann auf die Erfahrung dieser Genossen zurückgreifen?
2. Frage: Das grausamste Verbrechen der modernen Zivilisation der Nationalsozialisten an den Juden ist Ihnen gut bekannt. Warum hat die SED deren eingezogenes Vermögen behalten und nicht schnellsten zurück gegeben?
Mit freundlichen Grüßen
Erich Humplik
Sehr geehrter Herr Humplik,
es stimmt, ich bin der PDS 1999 beigetreten. Dieser Entschluss wurde von mir in Thüringen getroffen angesichts zweier Faktoren. Erstens angesichts des Beginns des völkerrechtswidrigen Krieges der Bundesrepublik Deutschland gegen Jugoslawien, um angeblich die Menschenrechte im Kosovo zu schützen (das Ergebnis können wir heute besichtigen) und zweitens bin ich einer regionalen Volkspartei beigetreten, die zu dem damaligen Zeitpunkt in Thüringen 20 % der Bevölkerung durch Mandate repräsentiert hat.
In dieser PDS sind in der Tat auch Mitglieder organisiert, die vorher in der SED Mitglied waren. Dies hat nie jemand geleugnet und dies scheint mir auch kein Kriterium für eine Bewertung zu sein, denn die schiere Mitgliedschaft sagt nichts über den Charakter, das politische Wollen und das Engagement eines Menschen aus. Erwähnt sei, dass die CDU zwei Blockparteien aus der DDR direkt übernommen und die FDP auch zwei Blockparteien in sich vereint hat.
Dem Schlussbericht der Treuhand kann man entnehmen, dass Millionen von der DDR-CDU in Form von Bargeld oder Sachinvestitionen in die CDU der Bundesrepublik Deutschland direkt übernommen wurden. Sie können auf unserer Homepage nachlesen, dass sämtliche Vermögenswerte der SED von unserer Partei per notariellen Vertrag an die Bundesrepublik Deutschland abgetreten worden sind. Erwähnen möchte ich, dass, sollte sich irgendwo auf der Welt ein Konto befinden, das aus diesen Vermögensbeständen nicht erfasst worden ist, aber der SED zugeordnet werden könnte, dieses unmittelbar an die Bundesrepublik Deutschland fallen würde. Sollte die Bundesrepublik nachweisen, dass ein Vorstandsmitglied meiner Partei damals oder heute Kenntnis von diesem Konto gehabt hat, werden wir sofort pönal mit einer Buße von 1 : 4 belegt. Die Frage also, ob die SED Vermögen eingezogen hat, das jüdischen Menschen gehört, kann ich so ohne Weiteres gar nicht beantworten. Aber verweisen kann ich auf die Wiedergutmachungsgesetze des Landes Thüringen vom 14. September 1945 bzw. der Landtage von Sachsen-Anhalt vom Mai 1947 und Mecklenburg im April 1948, mit denen die Rückübertragung von Eigentum an die Organisationen garantiert wurde und damit auch die jüdischen Gemeinden berechtigt waren, dieses Eigentum wieder in Besitz zu nehmen.
Außerdem wurde jüdisches Gemeindeeigentum auf Grund des SMAD-Befehls Nr. 82 vom 29. April 1948 zum Teil an die Gemeinden rückübertragen. In Sachsen-Anhalt gab es während der sowjetischen Besatzungszeit eine Entschädigungszahlung für das jüdische Kinderheim Bad Dürrenberg und für die Synagogengemeinde in Magdeburg. Allerdings gab es tatsächlich durch eine Intervention des DDR-Finanzministeriums später keinerlei weitere materielle Entschädigungsleistungen mehr. Die Rückübertragung von Gemeindeeigentum erfolgte auf der Grundlage des Befehls Nr. 82 bis 1951 und wurde dann als abgeschlossen deklariert. Gemeinden erhielten jährliche finanzielle Zuwendungen vom Ministerium der Finanzen, um Synagogen und Friedhöfe zu erhalten sowie notwendigste Ausgaben zu finanzieren. Diese regelmäßigen Leistungen wurden aber ausdrücklich nicht als Wiedergutmachungs- und Entschädigungszahlungen verstanden und - wie ich als Bürger der Bundesrepublik mit Erstaunen sagen muss -, die DDR verwies ausdrücklich darauf, dass sie sich nicht in der Verpflichtung sah, als „sozialistischer Staat“ Verpflichtungen einzugehen, anscheinend, um damit nicht in den Verdacht zu geraten, eine besondere Schuld gegenüber den Überlebenden der Shoa einzuräumen. Als Nachgeborener aus der Bundesrepublik kann ich dies nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, denn die historische Verantwortung für die Shoa tragen als Volk wir Deutschen zusammen.
Deshalb ist es gut und richtig, dass wir heute in der Partei DIE LINKE sehr intensiv über diese Fragen diskutieren, und ich verweise ausdrücklich auf die Ausführungen meines Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi zum 60. Jahrestag des Staates Israel.
Ich persönlich bin gerade eine Woche im Rahmen einer großen Konferenz des interreligiösen Dialogs in Israel gewesen und meine entsprechenden Reflexionen können Sie auf meiner Homepage auf den Tagebuchseiten vom 20.06. bis 27.06.2008 nachlesen.
Ich glaube, dass die DDR als völkerrechtlich anerkannter Staat Schuld auf sich geladen hat, als sie mit staatlichen Beschlüssen mehrfach dafür gesorgt hat, dass Vermögenswerte, die jüdisches Eigentum sind, nicht entschädigt oder zurückgegeben bzw. mit dem Beschluss vom 20. Juli 1950 als ausländisches Vermögen unter staatliche Verwaltung gestellt wurden.
Hier wurde die Rückgabe des Vermögens jüdischer Bürger als „Restauration des Kapitalismus“ qualifiziert und man sah es für gerechtfertigt an, damit die Überführung in das sogenannte Volkseigentum vorzunehmen. All das halte ich für eine historische Schuld der DDR.
Trotzdem, werter Herr Humplik, muss ich darauf hinweisen, dass nicht die SED dieses Vermögen an sich gezogen, sondern der DDR-Staat diese Vermögenswerte gewandelt hat, entweder in Staatseigentum oder in sogenanntes Volkseigentum. Alle diese Werte sind am Schluss in die Treuhand eingegangen, und mit den Nachwendegesetzen wurde sichergestellt, dass jedes Vermögen, jedes Grundstück, jeder materielle und immaterielle Schaden, der belegt werden konnte, entsprechend wieder zur Herausgabe gebracht oder durch Schadensersatzleistungen gewandelt wurde. Aus vielen Gesprächen, die ich in Thüringen geführt habe, weiß ich, dass mit den Organisationen der jüdischen Verbände hierüber intensive Beratungen stattgefunden haben und dass im Zweifelsfall Grundstücke nicht freigegeben wurden, wenn jüdische Erben oder deren Beauftragte oder die Jewish Claims Conference Ansprüche angemeldet hatten. Bis zur Klärung der jeweiligen Dinge mussten diese Grundstücke dann dem Grundstücksverkehr entzogen werden. Das hat manchmal zur Verlängerung von Entscheidungswegen geführt, war aber auf Grund der Verantwortung für die Shoa die einzig mögliche Handlungsweise, um nicht ein erneutes Unrecht zu begehen.
Manches Mal musste man mit Bürgern nach der Wende darüber debattieren, weil
dadurch die eine oder andere Bauruine im Stadtbild stehen blieb, bis die
Dinge geklärt waren.
Sollten aber über den einen oder anderen verschlungenen Weg solche Vermögenswerte doch in das SED-Vermögen gekommen sein, verweise ich wiederum auf unsere Homepage, denn selbst, wenn es so wäre, sind diese Vermögenswerte dann sämtlich an den deutschen Staat gefallen. Eine derart radikale Trennung, wie sie von meiner Partei vorgenommen wurde, ist von keiner anderen Parteien belegt. Verwiesen sei noch einmal auf den Treuhand-Abschlussbericht zur Vermögensintegration der Blockpartei CDU in die Vermögenswerte der Christlich-Demokratischen Union der Bundesrepublik Deutschland.
Auf Ihre Frage, ob ich eine DDR errichten will, kann ich nur klar sagen: Nein. Ich lebe in diesem Land, kandidierte in diesem Land für öffentliche Ämter und möchte im Rahmen dieser öffentlichen Ämter Verantwortung übernehmen und Politik gestalten.
Deshalb ist es absurd zu glauben, dass ich eine DDR oder eine „Edel-DDR“ (was immer das auch sein mag) errichten wolle. Ich verweise auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Verbindung mit der gesamten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und ich darf auch darauf verweisen, dass z. B. Artikel 14 (2)
„Eigentum verpflichtet“ oder Artikel 15 GG eindeutige Aussagen darüber trifft, dass an einzelnen Stellen wirtschaftliche Macht durch politische Mehrheiten gestaltet werden kann und darf.
Dies führt nicht zu einer „Edel-DDR“, sondern schlicht dazu, dass Monopolsituationen geöffnet werden können, um im Rahmen einer Marktwirtschaft dem Sozialen oder dem fairen Wettbewerb wieder größere Priorität einzuräumen. Angesichts der Finanzmarktkrise wird es selbst Ihnen einleuchten, dass man Finanzmärkte kontrollieren muss. Und mit Verlaub, sehr geehrter Herr Humplik, die Verstaatlichung der Banken in der Welt betreibt zurzeit nicht meine Partei!
Zu der Frage der 70 %-igen Mitgliedschaft aus der SED kann ich Ihnen wiederum nur versichern, dass beim Übergang von der SED zur PDS diese sogar aus 100 % dieser Mitglieder bestanden hat. Aus welchen Menschen denn sonst? Bei den Blockparteien war dies auch nicht anders, und die sind dann zu 100 % in die FDP oder CDU übergeleitet worden.
Verweisen möchte ich Sie allerdings darauf, dass die Staatsmachtpartei SED weit über 2,2 Millionen Mitglieder gehabt hat und dass sie Teil von Karriereplanung war, wie das auch bei der Mitgliedschaft in der CDU der Fall war. Die Bauernpartei, so wird mir von DDR-Bürgern berichtet, galt immer als die „SED vom Lande“. Hier sei erwähnt, dass sich diese Bauernpartei völlig problemlos in die heutige CDU integriert hat.
Von diesen 2,2 Mitgliedern sind in der heutigen Linken ca. 30.000 Mitglieder noch ehemals eingeschriebene SED-Mitglieder. Das heißt, nicht einmal die Hälfte der heutigen Mitgliedschaft besteht aus Mitgliedern, die früher ein SED-Parteibuch hatten.
Andererseits sind alleine bei der Parteibildung 20.000 Neumitglieder aus den alten Bundesländern hinzugekommen. Auch in den neuen Bundesländern überwiegen kontinuierlich Neueintritte. Und um es Ihnen klar zu sagen: Auf die Erfahrung aller Mitglieder, auch der 30.000 Mitglieder, die ehemals der SED angehörten, möchte ich auch künftig bauen. Frau Merkel haben ihre Erfahrungen aus der FDJ auch nicht geschadet. Vielleicht sollten wir über die DDR als Ganzes reden, dann aber mit allen Facetten und nicht nur instrumentell über den Teil, der ins Bild passt, um ihn gegen DIE LINKE als Partei und gegen den Erfolg der Linken in Stellung zu bringen.
Sehr geehrter Herr Humplik, der Kalte Krieg ist wirklich vorbei und die Gefahr auf der Welt besteht nicht in einem drohenden Sowjetkommunismus. Alle Wege führen auch nicht nach Moskau, sondern unsere eigentliche Bedrohung können wir im Stundentakt in „Tagesschau“ und „Heute Journal“ besichtigen. Antworten, die wir heute brauchen, beziehen sich auf internationale Konflikte mit Friedenslogik und Diplomatie und nicht mit Militärmaschinerie.
Energieressourcen können wir nur entwickeln, wenn wir friedliche Nachbarschaft pflegen und gleichzeitig dezentrale regenerative Energie flächendeckend vorantreiben. Finanzmarktkontrollen sind nur ein Einstieg in einen Kapitalmarkt, der endlich wieder den Bedürfnissen der Menschen und auch den Bedürfnissen der Wirtschaft dient, aber nicht der Zockermentalität von Börsenspekulanten, gierigen Bankmanagern oder Hasardeuren.
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow