Frage an Bodo Ramelow von Eva G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Was wurde vertraglich vereinbart, wenn der Einigungsvertrag zwischen DDR und BRD gebrochen wird ?
Wird die Einhaltung des Einigungsvertrages von den 4 Mächten überwacht ?
Welche Eingriffsmöglichkeiten haben Sie ?
Sehr geehrte Frau Geißler,
Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 20. Juni d. J. Sie beinhaltet sehr prinzipielle, völkerrechtliche Fragen, die ich gern an unseren zuständigen Abgeordneten weiterleiten würde, um sie adäquat beantworten zu lassen. Ich würde mich daher freuen, wenn Sie Ihre Fragen nochmals direkt an meine Adresse bodo.ramelow.ma03@bundestag.de mailen würden.
Sobald ich Ihre Fragen geklärt habe, würde ich Ihnen die entsprechenden Informationen zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Bodo Ramelow
Wird die Einhaltung des Einigungsvertrages von den 4 Mächten überwacht?
Welche Eingriffsmöglichkeiten haben Sie?
Antwort:
Eine Regelung für den Fall des Vertragsbruches gibt es im Einigungsvertrag nicht. Es gibt im Einigungsvertrag den Artikel 44 mit der Überschrift „Rechtswahrung“. Sie lautet: „Rechte aus diesem Vertrag zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik oder der in Artikel 1 genannten Länder [damit sind Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie das Land Berlin gemeint] können nach Wirksamwerden des Beitritts von jedem dieser Länder geltend gemacht werden.“
Die PDS, die bei der Abstimmung in der Volkskammer der DDR im August 1990 den Einigungsvertrag abgelehnt hat, hat in der Folgezeit mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Regelung völlig unzureichend ist und mit ihr die Tür dafür geöffnet wurde, dass die Umsetzung des Vertrages „durch Nichttätigwerden, Uminterpretationen, Aushöhlung und direkte Verletzungen, z. T. gravierender Art“ gekennzeichnet ist. Darum stellte die Gruppe der PDS im Deutschen Bundestag unter anderem am 05.04.1995 den Antrag „Entwurf eines Verfahrensgesetzes zu Artikel 44 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990“ (Drucksache 13/1080). (Die oben zitierte Passage stammt aus diesem Antrag.)
Dieser Antrag hat jedoch keine Mehrheiten gefunden, und so hat sich an den Vertragsverletzungen auch nichts geändert. Die neuen Länder sind in keinem der relevanten Fälle der Vertragsverletzung – z. B. „treuhänderische Verwaltung des volkseigenen Vermögens, Wirtschaftsförderung, Vertrauensschutz in der Außenwirtschaft, Bestandsschutz für Renten, Regelungen zur Fortgeltung der Bodenreformenteignungen und Erhaltung der kulturellen Substanz“ (zitiert aus Drucksache 13/1080) – tätig geworden. Wo sich Dinge zugunsten Betroffener verbessert haben – etwa im Rentenrecht –, ist dies im Resultat der Klagen von Einzelpersonen geschehen.
Von den 4 Mächten wird die Einhaltung des Einigungsvertrages nicht überwacht. Mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag vom 12.09.1990 wurde die Viermächte-Verantwortung in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes beendet. Der Vertrag trat zwar erst nach Ratifizierung durch alle Vertragsstaaten 1992 in Kraft, aber die Vier Mächte hatten am 02.10.1990 ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes bereits ab 03.10.1990 als ausgesetzt erklärt.
Aus all dem ergibt sich, dass Änderungen im Umgang mit dem Einigungsvertrag nur durch die ganz normalen Formen der politischen Entscheidungsfindung erreicht werden können: durch öffentlichen Druck und die Gewinnung parlamentarischer Mehrheiten.
Die Fraktion DIE LINKE. hat es sich auf ihre Fahnen geschrieben, die mit dem Einigungsvertrag zusammenhängenden Fragen nicht dem Vergessen preiszugeben. Sie wird aus diesem Grunde im Herbst 2007 mehrere Anhörungen und im Frühjahr 2008 eine Konferenz zu diesem Thema veranstalten.