Frage an Bodo Ramelow von Wolfram E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Rammelow, Ihre Linkspartei hat kürzlich einen Mindestlohn nach Vorschlag der SPD in den Bundestag eingebracht. In der Zeitung Stern war es zu lesen, dass nur die Linksfraktion keinen Betriebsrat hat, dass viele Abgeordnete Hire&Fire betreiben und Minijobber (400 Euro) und studentische Hilfskräfte zu wahnwitzig niedrigen Stundenlöhnen arbeiten lassen. Auch Thüringer Abgeordnete sollen nach einem Kommentar zu dem Bericht in einem Forum "schon reihenweise geringfügige Beschäftigungsverhältnisse begonnen und beendet haben".
Wieviele Personen haben Sie persönlich bereits gekündigt?
Was tun Sie persönlich in der Fraktion oder Landesgruppe für besseren Umgang mit dem Personal?
Warum geht bei der Linken im Bundestag nicht, was bei allen anderen Parteien und auch der Linken im Thüringer Landtag, wo Sie ja herkommen, schon sehr lange geht?
Finden Sie es glaubwürdig, unter diesen Bedingungen als Arbeitnehmerpartei aufzutreten?
Sehr geehrter Herr Erben,
sie beziehen sich sicher auf den Bericht im "Spiegel". Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Frage, gibt sie mir doch Gelegenheit, auch auf "Abgeordnetenwatch" einige Richtigstellungen vorzunehmen.
Die Linksfraktion im Deutschen Bundestag hat einen Betriebsrat, der sich am 22. März 2006 konstituierte. Dieser Betriebsrat vertritt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktion. Im Moment sind wir mit der zuständigen Fachgewerkschaft ver.di im Gespräch. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat einen Prüfauftrag bekommen, um ein Modell für eine rechtlich nicht anfechtbare ArbeitnehmerInnenvertretung vorzuschlagen, die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 53 Abgeordneten unserer Fraktion zuständig ist. Keine Fraktion des Deutschen Bundestages kann das bisher vorweisen. Wir arbeiten daran. Personalangelegenheiten von Einzelbüros werden unredlich mit der Betriebsratsfrage in Verbindung gebracht. Damit müssen wir leider leben. Es muss ein tragfähiges Modell sein, das sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Berliner Büros der Abgeordneten, als auch die in den Wahlkreisbüros umfasst. Ein Drei-Klassen-Recht wollen wir in der Fraktion nicht zulassen. Unbenommen davon steht es aber schon jetzt den MitarbeiterInnen in jedem Büro frei, im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes eine Obleutewahl durchzuführen. Hierzu hat es erste Initiativen gegeben und es arbeiten auch in MdB-Büros erste Obleute (nach BetrVG).
Ich bin selbst im 26. Jahr hauptamtlich Beschäftigter einer DGB-Gewerkschaft und nachweislich habe ich die Verantwortung bei der Gewerkschaft HBV im Bereich Einzelhandel und bei privaten Dienstleistungen inne gehabt, um Tarifvertrage nach § 3 BetrVG nicht nur erfolgreich zu verhandeln, sondern um sie auch mit Wirkung im Tarifregister absichern zu lassen, sodass auf dieser Basis tatsächlich Betriebsverfassungsorgane im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes entstanden. Genau hier liegt aber bei den Einzelabgeordneten der Bundestagsfraktionen das rechtliche Problem. Beim Ausloten der rechtlichen Möglichkeiten stellte sich heraus, dass das Problem sehr kompliziert ist, denn das Modell Thüringer Landtag war wegen der geringen Distanz und räumlichen Entfernung, die im Rahmen des BetrVG noch akzeptabel war, leichter zu lösen als die Abdeckung mit einem MitarbeiterInnengremium, das die gesamte Bundesrepublik Deutschland umfasst. Als Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag erlebte ich sogar eine Prüfung durch den Landesrechnungshof, bei der der damalige Präsident des Landesrechnungshofes die Existenz eines Betriebsrates als unzulässig qualifizierte. Mehrfach steht hier nämlich die Frage im Raum, ob es sich insgesamt überhaupt um einen klassischen Betriebsbegriff gemäß BetrVG handelt oder ob die Fraktion dem öffentlichen Recht zugeordnet sein müsste und daraus ergäbe sich ein Personalrat. Fraktionen und Einzelabgeordnete unterliegen eben nicht dem klassischen kollektiven Rechtsbegriff des BetrVG. Dies ist keine Schutzbehauptung, um ein Mitbestimmungsorgan zu verhindern, sondern eine grundsätzlich zu klärende Frage, damit nicht Regelungen getroffen werden, die anschließend durch den Bundesrechnungshof als unzulässig qualifiziert werden. Wahrscheinlich müsste der gesamte Komplex als Gesetz geregelt werden. Das Abgeordnetengesetz in Thüringen beispielsweise sieht sogar die Tarifgruppe für Wahlkreismitarbeiter vor. Hierzu bedarf es wohl verbesserter Schutzregeln, die dann alle Mitarbeiter von Abgeordneten endlich einheitlich umfassen. Es ist also kein separates Problem der Linksfraktion. Es trifft die FDP und die CDU/CSU gleichermaßen, auch wenn sie jetzt aus durchschaubaren Gründen über uns herfallen.
Der Spiegel-Artikel ist insofern ärgerlich, da der Spiegel sich ein zweites Mal an etwas abarbeitet, was der zuständige Redakteur nicht verstehen will. Schon der erste Artikel war in der Überschrift falsch. Nun werden richtige und falsche Aspekte und Tatsachen vermengt oder Falsches als Behauptung aufgestellt. Selbstverständlich gibt es in wenigen Fällen, z. B. für Studenten, eine Beschäftigung, die für diese Personengruppe als zusätzliche Einnahme gilt. Hier haben wir den Mitgliedern der Fraktion empfohlen, den Tarifvertrag TVöD bzw. den Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, der in Berlin angewendet wird, als Grundlage zu nehmen. Wir sprechen dabei von Stundenlöhnen von 10,00 bzw. 10,98 Euro netto. Nach unserem Kenntnisstand gibt es auch eine kleine Anzahl von MitarbeiterInnen, die Altersruhegeld beziehen. Hier wird im Rahmen der rentenrechtlichen Zuzahlungen gearbeitet. Aber auch in diesem Fall bewegen wir uns im rechtlichen Rahmen und oberhalb des von uns geforderten gesetzlichen Mindestlohns. Die anfänglichen Schwierigkeiten zu Beginn der Legislatur 2005 sind nach meinen Information, gänzlich ausgeräumt zugunsten klarer Beschäftigungsverhältnisse.
Was mein Büro betrifft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die meine Arbeit im Bundestag so erfolgreich unterstützen, so seien Sie unbesorgt. Es sind die, die ich zu Beginn der Legislaturperiode eingestellt habe. Die sind alle noch da und werden ordentlich bezahlt. Grundlage dafür ist der TVöD. Gerne lade ich Sie ein, mich in einem meiner Wahlkreisbüros (Gera oder Jena) oder auch im Berliner Büro zu besuchen. Dann können Sie sich selbst ein Bild machen.
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow