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Bodo Ramelow
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Frage von Henri G. •

Frage an Bodo Ramelow von Henri G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ramelow,

Der Untersuchungsausschuss der NSU-Mordserie bedauert es sehr, dass es ihm aufgrund der restriktiven Beurteilung der aktuellen Rechtslage durch die Landesregierung insbesondere nicht möglich gewesen ist, den Einsatz von VP [Vertrauenspersonen] der Polizei mit Bezug zum NSU und dessen Umfeld zu untersuchen. Informationen zu VP der Polizei (gab es vielleicht auch dort einen "Tino Brandt"?) waren zentral und konstitutiv für die Erfüllung des Aufklärungsauftrags des Untersuchungsausschusses. Ein mögliches Behördenversagen kann bei völliger Ausblendung von durch VP gewonnenen Erkenntnissen weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Beim Verfassungsschutz konnten die V-Leute mit Ihrer Hilfe weitgehend abgeschafft werden, von Ausnahmen abgesehen, so im Bereich "Terrorismus". Die V-Leute bei der Polizei blieben aber unberührt. Warum?

Vielen Dank für Ihre Antwort!

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr G.,

Anders als der Verfassungsschutz darf die Polizei auf die
nachrichtendienstähnlichen Befugnisse, wie beispielsweise der Einsatz
von Vertrauenspersonen VP, nur zurückgreifen, wenn eine konkrete Gefahr
vorliegt oder ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte eine solche
begründen. Die in § 34 des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes geregelten
besonderen Mittel der Datenerhebung dienen dabei der Abwehr einer Gefahr
und ihr Einsatz ist gesetzlich darauf beschränkt, Informationen „über
die für die Gefahr Verantwortlichen oder über Personen, bei denen
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für die für die Gefahr
Verantwortlichen bestimmte oder von diesen herrührende Mitteilungen
entgegennehmen oder weitergeben“, zu erheben. Ihr Einsatz ist nicht auf
Dauer angelegt. Somit unterscheiden sich die VP bei der Polizei ganz
elementar von den V-Leuten des Verfassungsschutzes, die ohne rechtlich
überprüfbare Eingriffsschwelle Informationen über Einzelpersonen und
Gruppen erheben und an den Nachrichtendienst weitergeben. Diese
Unterscheidung führte auch zu einem differenzierten Umgang. Eine
generelle Abschaffung der VP bei der Polizei im Bereich des
Gefahrenabwehrrechtes wurde in der Koalition deshalb nicht verabredet.
Richtig ist aber auch, dass für den Einsatz von VP bei der Polizei keine
richterliche Anordnung notwendig ist und auch keine parlamentarische
Kontrolle des Einsatzes erfolgt. Eine gerichtliche Überprüfung der
Zulässigkeit des Einsatzes der VP der Polizei sowie der Verwertung der
durch den VP-Einsatz erhobenen Daten erfolgt lediglich im Straf- und
abschließenden Gerichtsverfahren. Auf diese Kontrolllücke haben die
Mitglieder des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses hingewiesen und
empfohlen:
„Die demokratische und parlamentarische Kontrolle der handelnden
Behörden, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von menschlichen
Quellen bei der Polizei in der Strafverfolgung müssen verbessert werden.
Kontrollfreie Räume sind einem demokratischen Rechtsstaat fremd. Der
Einsatz von menschlichen Quellen muss wegen des Eingriffs in Grundrechte
durch eine parlamentarische Instanz kontrolliert werden, dies muss auch
für Quellen der Polizei gelten. Dazu muss der Einsatz dieser Mittel auf
eine verfassungsrechtlich gebotene stabile Grundlage gestellt werden.“
(Thüringer Landtag, DS 6/7612)

Diese Empfehlung teile ich ohne jede Einschränkung.

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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