Frage an Bodo Ramelow von Stepahnie F.
Hallo,
ich beschäftige mich derzeit sowohl beruflich als auch privat viel mit europapolitischen Fragestellungen. Sicherlich werden diese im Thüringer Landtag nicht fordergründig bearbeitet, allerdings sind sie bestimmt auch nicht unwichtig. Meine Frage daher: Inwieweit spielen europapolitische Themen im Wahlkampf und im Landtag eine Rolle und welche Ansichten vertreten Sie und Ihre Partei hinsichtlich der aktuellen politischen Situation in de EU.
MfG
Sehr geehrte Frau Fluchs,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage.
DIE LINKE begrüßt das europäische Projekt als ein wichtiges Beispiel für gelungene Völkerverständigung. Dennoch muss die Europäische Union in wesentlichen Punkten weiterentwickelt werden. Deshalb setzt sich DIE LINKE als Teil der Europäischen Linken für eine EU ein, die sich sozialer, demokratischer, humanitärer und bürgernäher gestaltet und für die eine friedliche Außenpolitik das Ziel internationalen Handelns ist. Einige der aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen machen mir deshalb große Sorgen. Das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA), sowie das mit den USA (TTIP) gefährden nicht nur in Jahrhunderten erkämpfte Sozialstandards, sie drohen auch die fragile europäische Demokratie weiter auszuhöhlen, wenn zukünftig Schiedsgerichte ohne demokratische Legitimation einzelne Mitgliedstaaten oder auch die ganze EU zu Entschädigungszahlungen an internationale Konzerne verurteilen können. Auch der derzeitige Konfrontationskurs gegenüber Russland ist aus meiner Sicht heraus falsch. Ich verurteile, ebenso wie meine Partei DIE LINKE, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland, sowie das militärische Agieren Russlands in diesem Konflikt. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass die EU mit ihrer Ukraine-Politik einen wesentlichen Anteil an der derzeitigen Situation hat. Wer ein gespaltenes Land wie die Ukraine vor die Wahl „EU oder Russland“ stellt, anstatt die wichtige Brückenfunktion der Ukraine positiv zu bejahen, trägt damit nicht zur Deeskalation bei.
Ich glaube, dass die beiden kurz beschriebenen Themen auch derzeit viele Menschen in Thüringen sehr bewegen, zumindest nehme ich das bei vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern wahr. Und auch wenn das alles so weit weg scheint, hat es direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Thüringen. Kann Thüringen auch zukünftig das Label „Gentechnikfreie Region“ tragen, wenn TTIP an den Umweltstandards der EU nagt? Wie betroffen sind Thüringer Unternehmen von den Exportbeschränkungen nach Russland? Leider können wir als Landespolitikerinnen und -politiker an diesen Fragen nur wenig ernsthaft ändern. Meine Partei DIE LINKE unterstützt die anlaufende Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA und wir werden auf mögliche Kompensationszahlungen der Bundesregierung für kleine und mittelständische Unternehmen drängen, die jetzt durch die Exportschranken bedroht sind.
Im Thüringer Landtag spielt die EU übrigens eine sehr bedeutende Rolle: Auf Drängen meiner Fraktion hat es in der gerade zu Ende gehenden Legislatur erstmalig einen eigenständigen Europaausschuss gegeben, der von meinem Fraktionskollegen Jörg Kubitzki geleitet wurde. Der Europaausschuss hat eine hervorragende Arbeit geleistet und im Rahmen der Frühwarndokumente sehr aktiv anstehende EU-Rechtsakte geprüft und wiederholt auf Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip hingewiesen. Dies ist, in Zusammenarbeit mit den Parlamenten der anderen Bundesländer und des Bundestages ein nicht zu unterschätzender Beitrag zu einer bürgernahen Europäischen Union. DIE LINKE wird sich deshalb dafür einsetzen, dass es auch im neuen Landtag wieder einen eigenständigen Europaausschuss geben wird.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen bei einem doch sehr
umfassenden Thema einen kurzen Einblick geben konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bodo Ramelow