Frage an Bodo Ramelow von Dani K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Ramelow,
was wird eigentlich aus den Forderungen des Volksbegehrens für eine bessere Familienpolitik, wenn es zu einer Landesregierung unter Ihrer Beteiligung kommen wird. Wie sehen Ihre familienpolitischen Vorstellungen aus und was muss sich in Thüringen ändern, damit Thüringen ein wirklich familienfreundliches Land wird?
Mit freundlichen Grüßen
Dani Kraemer
Sehr geehrte Frau Kraemer,
Familien sind in Zeiten der Wirtschaftskrise, der allseits abgeforderten Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt sowie des Älterwerdens der Gesellschaft, vielfältigen Anforderungen ausgesetzt. Auf der einen Seite sollen Familien für den Nachwuchs sorgen, diesen hüten und behüten, ihm bestmögliche Unterstützung bei der persönlichen und schulischen Entwicklung gewähren. Darüber hinaus sollen sie sich um kranke und pflegebedürftige Angehörige kümmern. Und auf der anderen Seite sollen Männer wie Frauen einem zunehmend flexibilisierten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Selbst diejenigen, die keine Arbeit haben, sind diesem Druck ausgesetzt.
Folge dieser Entwicklung ist, dass es immer mehr Familien gibt, die „abgehängt“ sind, alleinerziehend, arbeitslos, von Hartz IV lebend, und dass andererseits Familien zu Organisationsbüros werden, um ihre Jobs mit Kita, Schule, Sportverein, Nachhilfe, Flötenunterricht etc. unter einen Hut zu bekommen.
Die LINKE sagt mit aller Deutlichkeit, dass die Menschen im Mittelpunkt stehen müssen und nicht die Märkte.
Für uns sind Familien alle Lebensgemeinschaften, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen – unabhängig von Trauschein, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung.
Im Zentrum aller Überlegungen muss die Achtung der Menschenwürde stehen. Diese ist unabhängig von der sozialen und ethischen Herkunft, vom Familienstand, von Alter und Geschlecht sowie seines gesellschaftlichen Status’ zu achten und zu sichern. Die Arbeitswelt muss endlich familienverträglich werden, nicht die Familien müssen sich immer weiter für den Arbeitsmarkt zurecht biegen. Der Staat muss die Rahmenbedingungen schaffen, um Menschen sowohl die Kindererziehung als auch eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Kinder dürfen nicht in Armut aufwachsen. Hier muss der Staat eingreifen, um gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu kompensieren. Der Staat muss Kinder besser schützen – zur Not auch gegen ihre Eltern.
Für mich muss eine der ersten Schritte einer Landesregierung unter Beteiligung der LINKEN ein umfangreiches Maßnahmenbündel gegen Kinderarmut sein. Dazu gehören sowohl arbeitsmarktpolitische Maßnahmen als auch die Anhörung der Regelsätze in Hartz IV, aber auch kindbezogene Maßnahmen wie der Zugang zu Kunst, Kultur und Sport sowie der Umbau des Schulsystems hin zu einem längeren gemeinsamen Lernen. Gleichzeitig müssen Kinder besser geschützt werden. Dazu gehört die finanzielle Absicherung der Kinder- und Jugendschutzdienste sowie die personellen Ausstattung von Jugend- und Sozialämtern. Eltern müssen in die Lage versetzt werden, sich auch in schwierigen Lebenssituationen verantwortungsvoll um ihre Kinder zu kümmern. Hier müssen insbesondere aufsuchende Hilfen und wohnortnahe Familienbildung ausgebaut werden.
Aber auch in der Arbeitswelt muss sich einiges ändern, damit Thüringen ein wirkliches familienfreundliches Land wird. Arbeitszeiten müssen so gestaltet sein, dass Eltern Zeit für ihre Kinder oder auch Angehörige haben, die sie pflegen. Dort, wo es möglich ist, sind Telearbeitsplätze, Eltern-Kind-Zimmer u.ä. einzurichten. Teilzeitmodelle – auch in Führungsetagen – müssen betriebsspezifisch entwickelt werden, damit auch Fach- und Führungskräfte in der Lage sind, ihren Beruf mit der Familie zu vereinbaren.
In den ersten hundert Tagen einer Landesregierung unter Beteiligung der LINKEN werden wir Schritte zur qualitativen und quantitativen Sicherung der Kitas unternehmen. D.h. zusätzlich 2.000 ErzieherInnen in Thüringen, um zumindest auf den bundesdeutschen Durchschnitt zu kommen. Öffnungszeiten müssen so gestaltet sein, dass auch alleinerziehende Eltern einen Beruf ergreifen können. Außerdem brauchen wir einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab Geburt.
Das sind die konkreten familienpolitischen Ziele, die wir uns für eine soziale Regierung in Thüringen gesetzt haben. Wir brauchen aber auch weiterhin den Druck der Familien und Eltern, die dieses wichtige Thema immer wieder mit Erfolg auf die politische Tagesordnung gesetzt haben. http://www.bessere-familienpolitik.de/ Dieses Engagement z.B. im Rahmen des Volksbegehrens für eine bessere Familienpolitik bleibt für uns Verpflichtung und Anspruch.
Mit freundlichen Grüßen,
Bodo Ramelow