Frage an Bodo Ramelow von Wolfgang W. bezüglich Familie
Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz – Stichtagsregelung
Sehr geehrter Herr Ramelow,
vor elf Jahren ermöglichte ein Urteil des Bundessozialgerichtes (Az. B 4 RA 27/97 R) Ingenieuren in der ehemaligen DDR, die nicht über eine „Versicherungsurkunde“ (Einzelvertrag) verfügten, dennoch einen Antrag auf eine „fiktive Anerkennung von Zusatzversorgungszeiten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG)“ zu stellen.
Das Bundessozialgericht definierte später drei Bedingungen (eine persönliche, sachliche und betriebliche Bedingung). Problematisch seitdem ist die Auslegung der betrieblichen Bedingung. Im Kern geht es heute um eine „Kehrtwende bei der Rechtsprechung zu Zusatzrenten“, wie es das MDR-Fernsehen in seiner Sendung UMSCHAU vom 29. Mai 2009 titelte.
Das Problem kann nur durch die Politik entschieden werden – möglicherweise auch durch Sie. Deshalb möchte ich Sie um Beantwortung folgender Frage bitten:
Welche inhaltliche Position werden Sie im Falle Ihrer Wahl als Abgeordnete(r) zum Problem „Stichtagsregelung“ vertreten?
Danke. Das Problem betrifft Tausende, meist ältere Ingenieure und Ingenieurinnen in Ostdeutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wondrejz
Gera, 31.07.2009
Sehr geehrter Herr Wondrejz,
danke für Ihre Anfrage.
Nach der Wahl wie vor der Wahl könnte ich ganz knapp auf Ihre Frage antworten.
Die Probleme der Altersversorgung der technischen Intelligenz sind mir, sind meiner Fraktion DIE LINKE leider zu gut bekannt. Schon viele Betroffene haben sich in der Vergangenheit an uns gewandt. Im Zusammenhang mit der von Ihnen genannten Stichtagsregelung wurde ja eigens die "leere Hülle" erfunden. In der Zeit der Umwandlung in eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft, so argumentiert die Rentenversicherung in ihren Bescheiden, habe es sich nicht mehr um einen volkeigenen Produktionsbetrieb, sondern eben um eine "leere Hülle" gehandelt. Demzufolge wäre die betriebliche Voraussetzung für die Zuerkennung einer Altersversorgung der technischen Intelligenz zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr gegeben. In der Folge wurden bereits vielfach Zuerkennungen für eine Altersversorgung der technischen Intelligenz wieder aberkannt.
Im November 2007, noch vor der Erfindung der "leeren Hülle", hat die Linksfraktion 17 Anträge zu Problemen der Rentenüberleitung in den Bundestag eingereicht. Einer dieser Anträge bezog sich direkt auf die Altersversorgung der technischen Intelligenz (Drucksache 16/7034). Darin haben wir unter anderem gefordert, von der Praxis der Stichtagsregelung Abstand zu nehmen. Das würde die Probleme vieler Betroffener und auch Ihres lösen. Außerdem haben wir verschiedene diesbezügliche Anfragen an die Bundesregierung gestellt.
Am 28. Mai 2009 fand im Parlament die abschließende Lesung der 17 Anträge statt. Die anderen Parteien haben es nicht vermocht, über ihren Schatten zu springen. Das Protokoll der namentlichen Abstimmung weist nur wenige Ja-Stimmen oder Enthaltungen bei den übrigen Fraktionen auf. Wie die Abgeordneten aus den neuen Bundesländern gestimmt haben, können Sie den beiliegenden Materialien entnehmen.
Dabei hatten die Kanzlerin und auch Abgeordnete von CDU und SPD durchaus Erwartungen geweckt, wenn Betroffene bei ihnen vorsprachen. Doch entsprechende Gesetzesänderungen blieben aus. So wurde leider für kein einziges Problem eine Lösung erreicht. Aber unsere früheren Bemühungen, noch als PDS, haben nicht einmal zu einer Diskussion geführt. Dieses Mal kamen die anderen Fraktionen nicht an unseren Vorschlägen vorbei. So war es ein Novum, dass eigens für die Probleme der Rentenüberleitung eine Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales stattfand. Gregor Gysi hat bereits in aller Öffentlichkeit, nämlich vor dem Bundestag, angekündigt, dass wir das Thema immer wieder auf die Tagesordnung bringen werden.
Im Anhang schicke ich Ihnen einige Dokumente, so dass Sie sich selbst ein Bild machen können.
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow