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Bodo Ramelow
DIE LINKE
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Frage von Johannes K. •

Frage an Bodo Ramelow von Johannes K.

Sehr geehrter Herr Ramelow,
ihre Partei plant ja bekannt (wie oben schon angesprochen) eine Kreisgebietsreform mit Großkreisen. Das ist aber nur ein Teil dessen, was Sie sich vorgenommen haben. Denn soweit ich informiert bin, will die Linke auch die Kommunen reformieren; diese sollen dann zu Großkommunen mit ´zig tausend Einwohnern zusammengelegt werden.
Gleichzeitig mischte die Linke beim "Volksbegehren für mehr Demokratie" kräftig mit.
Dies stellt für mich aber einen kolossalen Widerspruch dar: Auf der einen Seite stehen Sie für mehr Demokratie, auf der anderen Seite wollen Sie mit riesigen Kommunen und Kreisen die Gewählten unnahbarer machen und die kleinen, familiären Strukturen, bei denen die Menschen ihre Bürgermeister, Landräte und Abgeordneten persönlich kennen, auflösen.
Sehen Sie diesen Widerspruch etwa nicht?

Mit freundlichen Grüße, Johannes Kühn

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kühn,

es ist schon erstaunlich, was man der LINKEN so alles nachsagt. Dass wir "Großkommunen" mit mehreren Tausend Einwohnern wollen, hat mit den tatsächlichen Vorstellungen der LINKEN für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform überhaupt nichts zu tun. Auf gemeindlicher Ebene wollen wir die jetzigen Verwaltungsgemeinschaften im Grundsatz zu Einheitsgemeinden weiter entwickeln. Für den Bürger ergeben sich dabei hinsichtlich der räumlichen Entfernungen zur Verwaltungen keine Veränderungen. Die Verwaltung hat den gleichen Sitz wie bisher, nur eben eine andere Bezeichnung. Was sich aber ändert, sind Verwaltungsabläufe. Diese werden optimiert, weil beispielsweise nicht mehr für jede kleine Mitgliedsgemeinde ein Haushalt erstellt und bewirtschaftet werden muss. Es gibt dann auch nur noch ein einheitliches Gemeinderecht und nicht mehr wie bisher eine Vielzahl an gemeindlichen Zuständen. Natürlich würde es diesen neuen Einheitsgemeinden unbenommen bleiben, ihr Ortschaftsrecht nach eigenem Ermessen auszugestalten. Dadurch hat die Verwaltung die Möglichkeit, solche Projekte wie Bürgerhaushalte verwaltungsseitig zu begleiten.

Nach unseren Vorstellungen sollen über diese Umwandlung der Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden die Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheides eine Entscheidung treffen. Das schließt ein, dass sich die Bürger auch für die Beibehaltung der Verwaltungsgemeinschaften entscheiden können. Dies sollen jedoch die Bürger und nicht wie bisher so oft nur die Bürgermeister und Gemeinderäte entscheiden.

Darüber hinaus unterstützt DIE LINKE freiwillige Gemeindezusammenschlüsse. Hier gehen zwischenzeitlich die Gemeinden neue Wege, die vor einiger Zeit noch undenkbar waren. So haben sich Worbis und Leinefelde zu einer Stadt zusammengeschlossen, ebenso Zeulenroda und Triebes. Dadurch entstanden tatsächlich Strukturen mit mehren Tausend Einwohnern, dies jedoch ohne Zwang. An diesen Entwicklungen will DIE LINKE anknüpfen und fordert deshalb klare Leitlinien und Zielstellungen für eine künftige Gemeindestruktur. Nur so können sich die Gemeinden klar neu strukturieren, ohne befürchten zu müssen, dass neu gebildete Strukturen nur von kurzer Dauer sind. Diese Auffassung haben wir übrigens auch in der Enquetekommission des Landtages so vertreten. Doch weil die CDU dort ein solches konsequentes Leitbild verhindert hat, haben wir ein Minderheitenvotum abgegeben. Übrigens hat erstmalig sogar der Gemeinde- und Städtebund auf die praktischen Probleme hingewiesen, die vor Ort entstehen, weil es kein Leitbild in Thüringen gibt.

Wir berücksichtigen auch, dass eine moderne Verwaltung erst mit einem Personalbestand von rund 20 Mitarbeitern, schon auf Grund der notwendigen Spezialisierung und Fachlichkeit, organisierbar ist. Diese Mitarbeiterstärke kann aber nach jetzigem Personalschlüssel erst ab 5.000 Einwohnern erreicht werden. Deshalb haben wir als Richtgröße für die Gemeinden die 5.000 Einwohner in unserem Diskussionspapier benannt. Diese Einwohnergrenze ist für uns aber keine starre Vorgabe, sondern vielmehr nur Orientierung. Die meisten Sachverständigen in der Enquetekommission haben dies in der Tendenz auch so gesehen.

Im Übrigen zeigen alle Erfahrungen, dass Verwaltungsnähe und Gemeindegröße keinesfalls die alleinigen Kriterien für Demokratie bilden. Vielmehr sind hier die Beteiligungsverfahren für die Bürger von Bedeutung. Und da haben die Thüringer in diesem Jahr einen großen Erfolg errungen. Durch das erfolgreiche Volksbegehren für "Mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen" wurden die Bedingungen für Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide stark verbessert. Die CDU musste hier ihre jahrelange Blockadehaltung aufgeben. Die neuen Regelungen werden tatsächlich ein höheres Maß an kommunaler Demokratie hervorbringen und deshalb hat DIE LINKE das Volksbegehren so intensiv unterstützt.

Ob ein Bürgermeister bei seinen Bürgern bekannt ist, hängt nicht davon ab, wie groß die Gemeinde ist. Gerstengrund im Wartburgkreis hat nur rund 60 Einwohner, Erfurt fast 200.000. Ähnlich ist es bei den Landkreisen. Entscheidend ist, wie Bürgermeister, Landräte, Gemeinderats- und Stadtratsmitglieder und die Kreistagsmitglieder mit den Bürgern umgehen und sie in Entscheidungen einbeziehen. Wenn im Wartburgkreis CDU und SPD vor wenigen Tagen erneut den Vorschlag der LINKEN für eine Bürgerfragestunde im Kreistag abgelehnt haben, hat dies nichts mit der Kreisstruktur zu tun, sondern eher mit einem zweifelhaften Politik- und Demokratieverständnis.

Lieber Herr Kühn, ich habe in Hessen das Chaos um die Entstehung und das Sterben der Stadt Lahn erlebt. Sie können mir glauben, so etwas schwebt uns wirklich nicht vor. Aber eine Straffung der Verwaltungsabläufe ist dringend erforderlich und zwar auf der ganzen Landesebene. Es beginnt mit der Landebene und ist nicht zu verwechseln mit der falschen Behauptung von Herrn Fiedler (CDU) wir wollten 4 Großkreise!

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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