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Birgit Sippel
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Frage von Jutta G. •

Ist die systematische Verletzung des absoluten Folterverbots bei Pushbacks und automatischen Inhaftierungen an der EU-Außengrenze Thema im Ausschuss LIBE?

Sehr geehrte Frau Sippel,
Im diesjährigen Bericht des "Auschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung" (https://rm.coe.int/1680aabe2b), wird eine systematische Misshandlung von Geflüchteten entlang der EU-Außengrenze dokumentiert. Diese fallen unter das absolute Folterverbot, das auch in der EU-Grundrechtecharta verankert ist. Bislang gab es keine Konsequenzen für genannte EU-Mitgliedsstaaten. Auch Amnesty International dokumentiert seit Jahren massenhafte Misshandlungen, die unter das absolute Folterverbot fallen. Hier das Länderbeispiel Litauen: https://www.amnesty.de/sites/default/files/2022-06/Amnesty-Bericht-Litauen-Pusbacks-Misshandlung-von-Schutzsuchenden-Juni-2022.pdf
Da auch das EU-Parlament Vertragsverletzungsverfahren von der EU-Kommission einfordern kann, frage ich Sie, ist der Tausendfache Bruch des Folterverbots Thema in LIBE und gab oder gibt es Forderungen nach Vertragsverletzungsverfahren?

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Sehr geehrte Frau G.,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich direkt eingehen möchte.

Der LIBE-Ausschuss hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen beschäftigt, unter anderem zur Schiffskatastrophe vor der griechischen Küste, zu den Berichten der New York Times zu Pushbacks in Griechenland und zur die Schiffskatastrophe vor der italienischen Küste. Auch die mögliche Beteiligung von Frontex an Menschenrechtsverstößen wurde im Beisein der Journalisten besprochen, die an der Berichterstattung beteiligt waren. In vielen dieser Debatten ging es auch um illegale Gewaltanwendung gegen Migrant:innen und die zahlreichen Berichte über brutale Pushbacks. 

Die zahlreichen Probleme, die der Jahresbericht für 2022 des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) identifiziert, sind in vielen Debatten zur Sprache gekommen. Auch in nicht-öffentlichen Verhandlungsrunden zur Asyl- und Migrationsreform kommen die vom CPT hervorgehobenen Missstände regelmäßig zur Sprache. Dies gilt insbesondere für mich als Berichterstatterin des Vorschlags für eine Screening-Verordnung, die einen Grundrechte-Überwachungsmechanismus einführen soll. Unserer sozialdemokratischen Fraktion ist sehr daran gelegen, diesen Überwachungsmechanismus möglichst stark auszugestalten, womit wir auch die Punkte 98-104 des CPT-Jahresberichts adressieren.

In seiner Gesamtheit hat sich der LIBE-Ausschuss bisher nicht eindeutig für Vertragsverletzungsverfahren bezüglich Pushbacks gegen bestimmte Mitgliedstaaten ausgesprochen. Für eine solch klare Forderung gab es bisher keine Mehrheit. Die sozialdemokratische S&D-Fraktion hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, dass die Kommission gegen Mitgliedstaaten, die systematisch die Grundrechte von Migrant:innen verletzen, Vertragsverletzungsverfahren einleiten soll. Diese Forderungen haben wir auch im LIBE-Ausschuss geäußert, aber auch schriftlich festgehalten. Hierbei verweise ich beispielsweise auf einen öffentlichen Brief der Fraktion an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Oktober 2021 in dem wir die Eröffnung solcher Verfahren gegen Polen, Griechenland und Kroatien gefordert haben: https://www.socialistsanddemocrats.eu/sites/default/files/2021-10/sd-letter-to-president-von-der-leyen-on-migrant-pushbacks-at-eu-borders.211020.pdf

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Antwort dienen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Sippel

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