Frage an Birgit Sippel von Maik H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Sippel,
vor einiger Zeit waren Sie bei uns im Berufskolleg Lippstadt zu besuch und haben u. a. über Artikel 13 gesprochen. Jetzt ist die Abstimmung durch das EPal gekommen. Was waren Ihre Gedanken nach der Abstimmung und welche Schritte werden jetzt folgen? Wird unser Internet bald "eingeschränkt" sein?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Copyright, das ja in der Tat auch bei meinem Besuch am Berufskolleg Lippstadt aufkam. Ich habe generell eine kritische Haltung zu Upload-Filtern und daher am 26.03.2019 bei der finalen Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments gegen das Trilog-Ergebnis zur Urheberrechtsrichtlinie gestimmt. Die Europa-SPD hatte bereits im Vorfeld klargestellt: Ja zu einem einheitlichen Urheberschutz – aber nicht mit Uploadfiltern! Denn die Urheberrechtsrichtlinie verpflichtet Plattformen im praktischen Ergebnis zum Einsatz solcher Technologien. Deshalb hat die SPD-Gruppe im EU-Parlament einen Änderungsantrag zur Streichung des besonders umstrittenen Artikel 13 eingebracht. Auch bei unserem Parteikonvent am 23.03.2019 haben wir uns klar gegen Uploadfilter ausgesprochen. Denn diese sind nicht in der Lage, legale Inhalte wie Satire und Parodie von tatsächlich geschützten Inhalten zu unterscheiden. Zudem gefährden sie die Meinungs- und Kunstfreiheit in der digitalen Welt.
Leider konnten wir SPD-Abgeordneten uns bei der Plenarabstimmung am 26.03.2019 nicht durchsetzen. Besonders hat mich ärgert, dass wir nicht einmal die Möglichkeit hatten, über Änderungen zu dem vom CDU-Europaabgeordneten Axel Voss ausgehandelten Trilog-Ergebnis abzustimmen: Das Plenum musste zunächst entscheiden, ob Änderungsanträge überhaupt zugelassen werden. Dies wurde leider mit einer denkbar knappen Mehrheit (312 dafür, 317 dagegen, 24 Enthaltungen) abgelehnt. Somit konnten wir über die von der SPD geforderte Streichung von Artikel 13 nicht einmal abstimmen. Stattdessen wurde direkt der von Axel Voss ausgehandelte Text zur Abstimmung gestellt. Diesem Gesetzestext haben wir nicht zugestimmt, weil er u.a. den umstrittenen Artikel 13 enthält. Leider wurde der Kompromiss dennoch mit einer Mehrheit angenommen.
Was mich darüber hinaus geärgert hat: Hunderttausende Stimmen (gerade, aber nicht nur) junger Menschen, die seit Monaten öffentlich gegen Artikel 13 und eine Zensur des Internets protestiert haben, wurden von einigen Akteuren nicht ernst genommen. Es ist bezeichnend für unseren aktuellen politischen Diskurs, dass Protestierende als „Mob“ abgetan werden und ihnen gar von manchem CDU-Politiker eine bezahlte Teilnahme an Demonstrationen vorgeworfen wird.
Die EU-Mitgliedstaaten müssen noch final über die Richtlinie entscheiden. Das wird voraussichtlich am 15. April geschehen. Dann haben die nationalen Regierungen 24 Monate Zeit, die Reform in gültiges Recht umzusetzen.
Auch wenn wir dieses Mal verloren haben – die gesamte Debatte zeigt mir: Es ist wichtig, nicht nur abstrakt über Europa nachzudenken, sondern sich konstruktiv mit europäischer Politik auseinanderzusetzen und sich einzubringen. Deshalb begrüße ich politisches Engagement ausdrücklich, sei es etwa in Form von Demonstrationen oder Bürgeranfragen. Unser Einsatz für Meinungsfreiheit und Demokratie ist notwendiger denn je!
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Sippel