Frage an Birgit Reinemund von Dietmar V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Reinemund!
Wie sehen Sie die Chancen für eine Partei, die im Bundestagswahlkampf das Thema "Transaktionssteuer" so angeht, wie es Edgar Feige vorschlägt? Würde das Stimmen zusätzlich generieren oder eher abschrecken?
Es geht um eine umfängliche Lösung. Keynes wollte den Wertpapierhandel besteuern, Tobin internationale Devisengeschäfte. Aber bisher hat niemand die Idee konsequent zu Ende gedacht: Jede Einzahlung, jede Abhebung, jedes Geschenk, jeder Handel wird mit einer sehr, sehr kleinen Steuer belegt. Brasilien hatte diese Steuer Anfang 2000 eingeführt und imJahr 2008 wieder abgeschafft. Warum? Weil sie die Steuer zusätzlich zu den anderen Steuern erhoben haben und es dann politisch nicht mehr vertretbar war.
Hat Ihr Ausschuß schon einmal das Finanzministerium oder den Bundesrechnungshof um eine Berechnung gebeten? Was wäre, wenn der Bundeshaushalt sich aussschließlich aus dieser Steuer finanzieren müsste?
Technisch ist die Einführung kein Problem. Das konnte Brasilien recht zügig umsetzen.
Steuergerechtigkeit wäre in jedem Fall gegeben, da jede Transaktion besteuert würde. Halten Sie die Zahlen,die bei so einer Berechnung herauskämen, für veröffentlichbar? Evidenz über dieses Streitthema wäre nicht ganz verkehrt - oder?
Ich würde mich freuen, Ihre Meinung dazu zu erfahren.
Freundliche Grüße
Dietmar Vorfeld
Sehr geehrter Herr Vorfeld,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat sich in den letzten Jahren mehrfach ausführlich mit Finanztransaktionssteuern beschäftigt, unter anderem in einer großen Anhörung, zu der über 30 hochrangige Sachverständige geladen waren.
Zu den Implikationen des Vorschlags von Edgar Feige für den Bundeshaushalt liegen mir keine Zahlen vor. Es existieren von Seiten der Wissenschaft zahlreiche Steuerreformvorschläge. Für all diese Vorschläge Musterberechnungen durchzuführen, ist selbst für die Bundesverwaltung nicht leistbar. Zudem wirft die von Herrn Felge vorgeschlagene Automated Payment Transaction (APT) eine Reihe von Problemen auf, zu denen unter anderem die Auswirkungen auf den internationalen Handel oder die Frage der Abwanderung von Kapital und Unternehmen gehören, wenn wir die APT-Steuer nur in Deutschland einführen.
Unabhängig vom konkreten Vorschlag der APT-Steuer, teile ich Ihren Wunsch nach einem einfacheren und gerechten Steuersystem. Angesichts unseres komplexen Steuersystems ist eine radikale Neuausrichtung des Steuersystems schwer durchsetzbar. Dennoch haben wir eine Reihe von graduellen Steuervereinfachungen und -Entlastungen auf den Weg gebracht, wie z.B. die Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts sowie das Gesetz zum Abbau der kalten Progression, das der Bundesrat zu meinem Bedauern blockiert hat.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Birgit Reinemund