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Birgit Reinemund
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Frage von Harald S. •

Frage an Birgit Reinemund von Harald S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Dr. Reinemund,

mir geht es ähnlich wie der Familie Kohler.NUr mein Vertrag ist Ende 2012 fällig. Ich hatte keine Zeit zu reagieren, das war wohl Absicht. Eine angemessene Übergangszeit (6 Monate) wäre anständig gewesen um reagieren zu können.
Ich bin selbstständig 55 Jahre alt und verliere so einen Teil meiner Altersversorgung. Vielen Dank! Wie lange wollen Sie sich noch von der Lobby der Versicherungswirtschaft einlullen lassen . Sind Sie bereit bis 21.12.2012 noch etwas zu ändern?

Mit freundlichen Grüßen

H.Spinner

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Spinner,

ich verstehe Ihre Besorgnis und die aller anderen Bürgerinnen und Bürger, die mich in letzter Zeit zu diesem Thema angeschrieben haben. Die bestehenden Missverständnisse sind sicher auch der Komplexität des Themas geschuldet. Meldungen in den Medien, wonach es mit dieser Neuregelung zu einer massiven Verkürzung der Überschusszahlungen auf auslaufende bzw. fällige Versicherungen kommt, sind nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Ebenso wenig sind es einzelne Aussagen zu konkreten Verlustbeträgen für einzelne Versicherte. Vielmehr werden in der Öffentlichkeit immer wieder nicht vergleichbare Zahlbeträge aus aktuellen Rückkaufswerten und streitbaren Prognosen späterer Leistungen gegenüber gestellt. Gleichwohl sind sich die Regierungsparteien darin einig, aktuelle Erkenntnisse zu vereinzelten Härtefällen bei der Umsetzung der Neuregelung im Verordnungsweg einfließen zu lassen. Durch eine Kappungsregel wird die unzumutbare Verminderung des Anteils von nichtrealisierten Bewertungsgewinnen verhindert. Unabhängig davon ist aber auch der Hinweis wichtig, dass die Unternehmen selbst unabhängig von jeder Lösung keinen Cent mehr an den Verträgen verdienen. Vergleichbare Medienaussagen sind schlicht irreführend. Es geht allein um die Verlässlichkeit künftiger Zahlungen und um den Schutz der Versicherten auch für die Zukunft.
Zum Hintergrund: Mit den aktuellen Änderungen des Versicherungsaufsichts-Gesetzes zur Erhaltung garantiesichernder Bewertungsreserven werden zwei wichtige Ziele verfolgt. Einerseits soll der Sektor krisenfest bleiben, andererseits der notwendige Interessenausgleich zwischen Alt- und Bestandskunden an das heutige Kapitalmarktumfeld angepasst werden. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase ist es die vordringliche Aufgabe der Lebensversicherungen, ihre Kunden in der Gesamtheit zu schützen und dabei insbesondere noch nicht realisierte Gewinne angemessener als bislang aufteilen zu können. Nur so können sie alle Verpflichtungen gegenüber den Versicherten über den sogenannten „Sicherungsbedarf“ erfüllen und allen Versicherungsnehmern einen angemessenen Anteil an den Bewertungsreserven zuweisen. Die bisherige Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien bleibt von der Neuregelung im Übrigen unberührt. Die Neuregelung hat keine Auswirkungen auf die bisher garantierten Teile der Versicherung, wie das Garantiekapital und die bisher erreichte garantierte Überschussbeteiligung, wie sie in der jährlichen Standmitteilung ausgewiesen wird. Betroffen durch die Neuregelung ist allein die zu Vertragsende festzulegende Beteiligung an den Bewertungsreserven. Dabei geht es wohlgemerkt um noch nicht realisierte Gewinne mit Wertpapieren, also noch laufenden Kapitalanlagen der Versicherungen, die sich nach aktueller Lage voraussichtlich negativ entwickeln. Die Kurse der Anlagen und damit auch die Bewertungsreserven schwanken infolge der Krise erheblich. Damit wird die Ausschüttung an versicherte je nach Vertragsende zum Lotteriespiel. Ein über die Ausschüttung von Reserven erzwungener Sofort-Verkauf der Anlagen würde dabei zu Lasten der anderen Versicherten gehen, denn ähnliche günstige Anlagen sind derzeit nicht möglich. Aber alle Versicherten sollen von den in der Vergangenheit eingegangen höher verzinsten Verträgen profitieren können. Und der Versichertengemeinschaft geht durch die Neuregelung kein einziger Euro verloren. Dies bedeutet für Versicherte, deren Vertrag in der nächsten Zeit bei anhaltender Niedrigzinsphase endet, eine etwas geringere Ausschüttung erhalten, die Versicherten künftig dafür etwas mehr. Im Vergleich zu den garantierten Leistungen haben die Bewertungsreserven einen geringen Anteil. Wer davon wie betroffen ist, richtet sich nach der Anlagestrategie des Versicherers, dem individuellen Beitrags- und Vertragsverlauf, den Vertragsbedingungen wie der Höhe der Sockelbeteiligung an den Bewertungsreserven und der Gestaltung der Schlussgewinnbeteiligung.
Die Neuregelung dient der langfristigen Erfüllbarkeit aller vertraglichen Verpflichtungen und damit der Stabilität der Unternehmen sowie der Branche insgesamt. Das aktuelle Marktumfeld mit historischen Niedrigzinsen und einem Rekordtief der Leitzinsen von 0,75 Prozent ist für Lebensversicherer wie für Pensionskassen der betrieblichen Altersversorgung und für berufsständische Versorgungswerke eine ernste Herausforderung: sie erschwert massiv die Neu- und Wiederanlage von Kapital, führt damit zu künftig deutlich geringeren Renditen. Die Lebensversicherer haben die Folgen der Niedrigzinspolitik für ihre Versicherten zwar bisher gut abgefedert. Das aber liegt an ihren langfristigen Kapitalanlagen. Sie haben frühzeitig langlaufende Zinspapiere mit guter Verzinsung gekauft. Die Restlaufzeit ihrer Kapitalanlagen liegt derzeit bei über 10 Jahren. Zum anderen führen sie in der Versichertengemeinschaft einen Risikoausgleich über die Zeit durch. Das funktioniert vereinfacht so, dass in guten Kapitalmarktjahren Reserven aufgebaut werden, um diese in Phasen niedriger Zinsen an Kunden auszuschütten. Im Vergleich zu anderen Vorsorgeformen ermöglicht dies eine deutlich stabilere Gesamtverzinsung für die Kunden. Ein Ende der Niedrigzinsen ist allerdings weiterhin nicht in Sicht. Damit die Lebensversicherer ihren Kunden die versprochenen Leistungen dennoch langfristig zahlen können, müssen sie mit ihren Reserven vorsichtig haushalten. D.h., die Reserven müssen so eingesetzt werden, dass sie für eine lang andauernde Niedrigzinsphase reichen. Dieses Ziel kann aus heutiger Sicht nur mit der Neuregelung erreicht werden. Damit hat sich die Politik für eine gerechtere Verteilung von künftigen Gewinnen an die Versicherungskunden und ein Mehr an Finanzmarktstabilität entschieden, ohne für den einzelnen Versicherten seine vertraglich in Aussicht gestellten Anteile an bereits erzielten Gewinnen der Versicherer in Frage zu stellen.
Es kann sein, dass es in Einzelfällen zu Härten kommt. Dies ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Hier werden wir Lösungen finden. Die FDP setzt sich dafür ein, dass es eine für alle Betroffenen zufriedenstellende Regelung geben wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Birgit Reinemund