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Frage von Sebastian S. •

Frage an Birgit Reinemund von Sebastian S. bezüglich Finanzen

Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG):
Schlechterstellung der Versicherten bei den Bewertungsreserven

Sehr geehrte Frau Dr. Birgit Reinemund,

mit den Änderungen von § 56 a Absatz 3 und 4 VAG bestraft die Regierung diejenigen, die private Vorsorge aktiv umsetzen. Das ist vollkommen unverständlich. Schließlich waren Sie es, die uns Bürger seit langen Jahren darauf hinweisen, dass die private Vorsorge wichtig sei.

Frau Barbara Sternberger-Frey hat Sie mit ihrem Schreiben an Ihren Ausschuss vom 15.10.2012 auf Seite 2 unten wie folgt informiert:

Zu Randnummer. 6: Änderung von § 56 a Absatz 3 und 4 VAG
§ 56 a Absatz 3 und 4 VAG sieht in der jetzt vorgeschlagenen Änderungsfassung vor, dass Versicherungsnehmer künftig - in Abhängigkeit von der jeweiligen Umlaufrendite – nur noch Anspruch auf bestimmte Teile der Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapiere haben sollen. Für alle Verträge im Bestand eines Unternehmens, bei denen der Rechnungszins oberhalb der Umlaufrendite im Zeitpunkt der Berechnung der Bewertungsreserven liegt, soll die Beteiligung jedoch ausgeschlossen werden.
Diese Regelung ist abzulehnen, weil hier ein massiver Eingriff in die Ansprüche der Versicherungskunden erfolgt - und zwar aus folgenden Gründen:

Verfassungsrechtliche Bedenken (Details in der u. g. Quelle: PDF, Seite 2 unten)

Bedenken wegen unzureichender Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Bewertungsreserven – insbesondere für Kunden des Altbestands

Verschärfung der Intransparenz

Quelle:
www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2012/106/Stellungnahmen/08-Sternberger-Frey.pdf

Ich verstehe nicht, dass Sie nicht in der Lage sind, die schützenswerten Interessen der Bürger als erste Priorität Ihres Handels zu sehen.

Sie geben verantwortungsbewusst handelnden Bürgern keine Planungssicherheit. Das Gegenteil ist der Fall.

Weshalb schicken Sie uns in den Regen?

Mit vorzüglicher Hochachtung

Sebastian Schreiber

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schreiber,

für Ihre Anfrage danke ich Ihnen.
Mit den aktuellen Änderungen des Versicherungsaufsichts-Gesetzes zur Erhaltung garantiesichernder Bewertungsreserven wird der notwendige Interessenausgleich zwischen Alt- und Bestandskunden (vor 1994) an das heutige Kapitalmarktumfeld angepasst. Die Lebensversicherer können danach zur Sicherstellung der Erfüllbarkeit Ihrer Verpflichtungen gegenüber den Versicherten einen sogenannten „Sicherungsbedarf“ von dem den Versicherungsnehmern zustehenden Anteil an den Bewertungsreserven in Abzug bringen. Die bisherige Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien bleibt von der Neuregelung unberührt.

Meldungen in den Medien, wonach es mit dieser Neuregelung zu einer massiven Verkürzung der Überschusszahlungen auf auslaufende bzw. fällige Versicherungen kommt, sind nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig einzelne Aussagen zu konkreten Verlustbeträgen für einzelne Versicherte. Die Neuregelung hat keine Auswirkungen auf die bisher garantierten Teile der Versicherung, wie das Garantiekapital und die bisher erreichte garantierte Überschussbeteiligung, wie sie in der jährlichen Standmitteilung ausgewiesen wird. Betroffen durch die Neuregelung ist allein die zu Vertragsende festzulegende Beteiligung an den Bewertungsreserven. Dies bedeutet für Versicherte, deren Vertrag in der nächsten Zeit bei anhaltender Niedrigzinsphase endet, eine etwas geringere Ausschüttung von Teilbereichen der Bewertungsreserven. Diese hat im Vergleich zu den garantierten Leistungen jedoch einen geringen Anteil an der Gesamtleistung. Betroffen ist nach Aussagen der Unternehmen nicht jeder Lebensversicherungskunde, sondern nur eine Minderheit. Das richtet sich nach der Anlagestrategie des Versicherers, dem individuellen Beitrags- und Vertragsverlauf, der Höhe der Sockelbeteiligung an den Bewertungsreserven und der Gestaltung der Schlussgewinnbeteiligung.

Die Neuregelung dient der langfristigen Erfüllbarkeit aller vertraglichen Verpflichtungen und damit der Stabilität der Unternehmen sowie Branche insgesamt. Dabei sollen alle Versicherten von den in der Vergangenheit eingegangen höher verzinsten Verträgen profitieren. Dabei geht es wohl gemerkt um die noch laufenden Kapitalanlagen der Versicherungen, nicht um bereits realisierte Gewinne. Der Versichertengemeinschaft geht durch die Neuregelung kein einziger Euro verloren. Das aktuelle Marktumfeld mit historischen Niedrigzinsen und einem Rekordtief der Leitzinsen von 0,75 Prozent ist für Lebensversicherer wie für Pensionskassen der betrieblichen Altersversorgung und für berufsständische Versorgungswerke eine ernste Herausforderung: sie erschwert massiv die Neu- und Wiederanlage von Kapital, führt damit zu künftig deutlich geringeren Renditen. Die Lebensversicherer haben die Folgen der Niedrigzinspolitik für ihre Versicherten zwar bisher gut abgefedert. Das aber liegt an ihren langfristigen Kapitalanlagen. Sie haben frühzeitig langlaufende Zinspapiere mit guter Verzinsung gekauft. Die Restlaufzeit ihrer Kapitalanlagen liegt derzeit bei über 10 Jahren. Zum anderen führen sie in der Versichertengemeinschaft einen Risikoausgleich über die Zeit durch. Das funktioniert vereinfacht so, dass in guten Kapitalmarktjahren Reserven aufgebaut werden, um diese in Phasen niedriger Zinsen an Kunden auszuschütten. Im Vergleich zu anderen Vorsorgeformen ermöglicht dies eine deutlich stabilere Gesamtverzinsung für die Kunden. Ein Ende der Niedrigzinsen ist allerdings weiterhin nicht in Sicht. Damit die Lebensversicherer ihren Kunden die versprochenen Leistungen dennoch langfristig zahlen können, müssen sie mit ihren Reserven vorsichtig haushalten. D.h. die Reserven müssen so eingesetzt werden, dass sie für eine lang andauernde Niedrigzinsphase reichen. Dieses Ziel kann aus heutiger Sicht nur mit der Neuregelung erreicht werden. Damit hat sich die Politik für eine gerechtere Verteilung von künftigen Gewinnen an die Versicherungskunden und ein Mehr an Finanzmarktstabilität entscheiden, ohne für einzelne Versicherten seine vertraglich in Aussicht gestellten Anteile an bereits erzielten Gewinnen der Versicherer in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Birgit Reinemund