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Frage von Bernd K. •

Frage an Birgit Reinemund von Bernd K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Dr. Reinemund,

wie ist der aktuelle Stand der Gesetzgebung und der politischen Diskussion in bezug auf das von nicht-christlichen Mitbewohnern auch bei uns praktizierte betäubungslose Schlachten ("Schächten") von warmblütigen Nutztieren? Der mit Ihnen vergleichbar fachkundige Kollege Dr. Priesmeier aus der SPD-Fraktion hat an anderer Stelle sinngemäß die These vertreten, das Recht auf religiöse Selbstbestimmung habe in diesem Falle Vorrang vor Erwägungen des Tierschutzes. Außerdem müssten noch eine Reihe von Untersuchungen angestellt werden usw. usw. Die Taktik ist klar - nur nicht dran rühren.

Seitdem herrscht trügerische Ruhe, übrigens auch in Bezug auf Gammelfleisch, Futtermittel-skandale und den Tier- und Verbraucherschutz im allgemeinen. Mit Hilfe der FDP-Fraktion ist es der Fachministerin Ilse Aichinger gerade gelungen, den in "Volierenhaltung" umbenannten Betrieb von Legebatterien bis zum St. Nimmerleinstag zu verlängern. Aus den in seriösen Medien und auf Abgeordnetenseiten nachzulesenden Stellungnahmen Ihrer Parteifreunde schimmert deutliche Freude an diesem "Sieg" durch. Werden auch Sie diese Linie Ihrer Partei offensiv in der Öffentlichkeit vertreten - wenigstens bis zu den nächsten Landtags- und Bundestagswahlen?

Mit freundlichen Grüßen
B.K.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Koch,

vielen Dank für Ihr Schreiben.

Das betäubungslose Schlachten von Tieren ist gemäß § 4a des TierSchG grundsätzlich verboten. Im oben genannten Paragraphen heißt es weiter, dass die Tötung von Wirbeltieren keiner Betäubung bedarf, wenn „die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen“. Das heißt, dass die zuständige Behörde in jedem Einzelfall zwischen den zwei Verfassungsgütern - dem Tierschutz und der Religionsausübungsfreiheit - abzuwägen hat.
Diese Einzelfallabwägung ist für die FDP richtig und notwendig..

Uns ist bewusst, dass wir in Sachen Verbraucherschutz und Tierschutz im Privatbereich und in der Landwirtschaft noch längst nicht am Ziel sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Birgit Reinemund

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Koch,

das betäubungslose Schlachten von Tieren ist gemäß § 4a des TierSchG grundsätzlich verboten. Im oben genannten Paragraphen heißt es weiter, dass die Tötung von Wirbeltieren keiner Betäubung bedarf, wenn „die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen“. Das heißt, dass die zuständige Behörde in jedem Einzelfall zwischen den zwei Verfassungsgütern - dem Tierschutz und der Religionsausübungsfreiheit - abzuwägen hat.

Am 22. Juli 2011 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshofes ein Urteil erlassen, nach dem dem Kläger, einem Metzger, eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten von 100-200 Schafen aus religiösen Gründen für das muslimische Opferfest 2008 hätte erteilt werden müssen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die vollständigen Entscheidungsgründe werden in einigen Wochen vorliegen.

Die FDP hält am grundsätzlichen Verbot des Schächtens fest, allerdings in den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Grenzen, d.h. die FDP sieht es als verfassungsrechtlich notwendig an, einen Ausnahmetatbestand wie er im TierSchG formuliert ist, beizubehalten, um dem hohen Gut der Religionsfreiheit Rechnung zu tragen. Dies bedeutet insbesondere, dass sich der Staat aufgrund seiner Neutralitätsverpflichtung einer Wertung der religiösen Pflichten zu enthalten hat. Weiterhin darf keine generalisierende Betrachtung der religiösen Vorschriften angelegt werden, sondern es muss auf den Einzelfall eingegangen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Birgit Reinemund