Frage an Birgit Reinemund von Bernd M. bezüglich Familie
Schon heute sinkt die Erwerbsquote rapid bei Menschen über 55. Bei den 55- bis 58-Jährigen sind nur noch 40 Prozent vollzeiterwerbstätig. Bei den 58- bis 63-Jährigen sinkt diese Zahl auf nur noch ein Viertel. Und bei den über 63-Jährigen sind es dann gar nur noch 7,4 Prozent.
Nun hat die Bundesbank vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter noch weiter auf 69 zu erhöhen.
Wie stehen Sie zu diesen Plänen und was halten Sie von der Idee, angesichts der hohen Altersarbeitslosigkeit das Inkrafttreten des Gesetzes über dieRente ab 67 auszusetzen?
Sehr geehrter Herr Merling!
Die Diskussion, das Renteneintrittsalter noch weiter zu erhöhen, halte ich genauso für Wahlkampfgetöse wie die kurzfristige Aussetzung der gerade erst begonnenen Umstellung auf ein gesetzliches Renteneintrittsalter von 67 Jahren.
Das reale Renteneintrittsalter liegt derzeit bei durchschniuttlich zirka 63 Jahren. Im ersten Schritt gilt es also das reale Eintrittsalter dem gesetzlichen anzunähern.
Wie Sie richtigerweise beschrieben haben sind bei den über 55jährigen nur noch 38% vollzeiterwerbstätig, auch bedingt durch die staatlich subventionierte Frühverrentung.
Das damalige Argument, früher frei werdenden Stellen würden Arbeitplätze für Jüngere schaffen, hat sich nicht bewahrheitet. Warum sollte es heute funktionieren bei Aussetzung der Rente mit 67?
Bei immer längerer Lebenserwartung und somit Rentenbezugszeit, geringer Geburtenrate und der Altersentwicklung unserer Gesellschaft werden wir mittelfristig um eine Verlängerung der Arbeitszeit in Relation zur Rentenbezugszeit nicht herumkommen.
Soll das erhöhte Renteneintrittsalter nicht automatisch zu Rentenkürzung führen durch vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand, müssen wir älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Arbeit bis 67 auch bieten! Ich bin überzeugt, dass z.B. der erweiterte Kündigungsschutz ab 50 Jahre mehr Einstellungen verhindert als Entlassungen. Kritisch wird auf EU-Ebene mittlerweile geprüft, ob dieses Gesetzt mit dem Gleichbehandlungsgesetz zu vereinbaren ist.
Mit Blick auf den Facharbeitermangel in einigen Branchen findet in den Betrieben mittlerweile ein Umdenken statt hin zu altersgemischten Teams und flexibleren Teilzeitangeboten. Lebenslanges Lernen und Qualifizierung ohne Altersgrenze sind wesentliche Bausteine. Die Erfolge des Mannheimer Jobcenters mit ihrem Projekt "50+" zeigen, dass Altersarbeitslosigkeit nicht zwangsläufig und nicht unabänderlich sein muß.
Statt eines fixen höheren Renteneintrittsalters bevorzuge ich persönlich das FDP-Modell der Festlegung einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren unter angemessener Berücksichtigung von Ausbildungs-, Erziehungs- und Pflegezeiten. Effizientere, gestraffte Ausbildungswege halte ich für wichtig, um einen früheren Berufseintritt zu erreicht. Wäre es nicht gut, frei entscheiden zu können, ob Sie eine Auszeit in jüngeren Jahren nutzen möchten und dafür länger arbeiten?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Birgit Reinemund