Frage an Bettina Müller von Jörg S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Müller,
mit wachsender Sorge sehe ich das Gewährenlassen nicht nur von Hasskommentaren auf Social Media, sondern eine weitverbreitete Stimmungsmache - auch ein gezieltes "Politikerbashing" und die konzertierte Herabsetzung einzelner Personen.
Durch ein solches Geschehenlassen wird - von Einzelnen, von Gruppen und sogar computergesteuert - gefährlich manipuliert.
Bisherige Ansätze der Politik hierzu zeigen nahezu keine Wirkung.
Kein Medium ist eigentlich verpflichtet, negative, bösartige, aggressive und unwürdige Äußerungen vielfach zu multiplizieren. Trotzdem geschieht dies täglich.
Dies hat weniger mit freier Meinungsäußerung zu tun, als vielmehr mit konzertiert willentlicher (Zer-)Störung von demokratischen Strukturen zugunsten von Interessen einzelner Bewegungen und globaler Konzerne.
Was gedenken Sie persönlich zu tun, um die völlig aus dem Ruder gelaufene Social-Media-Landschaft zu regulieren und zu kontrollieren?
Meine Wahlentscheidung werde ich wesentlich von Konzepten hierzu abhängig machen.
Mein Eindruck ist, dass bis heute alle Parteien ohnmächtig und ahnungslos sind, was die Beurteilung der Konsequenzen der de facto anarchisch sich selbst überlassenen Social-Media-Kanäle sind.
Auf Ihre Antwort hierzu freue ich mich - noch mehr auf konkrete Vorhaben.
Sehr geehrter Herr S.,
das Internet ist kein rechtsfreier Raum, in dem rassistische Hetze oder sonstige strafbare Äußerungen verbreitet werden dürfen. Mit den bestehenden Straftatbeständen wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung oder Volksverhetzung sind Inhalte in sozialen Netzwerken aber schon immer strafbewährt. Klaren Rechtsverstößen sollten daher Betroffene ggf. auch zivilrechtlich begegnen.
Strafrechtlich relevante Sachverhalte und in sozialen Netzwerken begangene Straftaten wie Volksverhetzung, Verwenden von Nazi-Symbolen usw. sollten auch schneller und effektiver geahndet werden. Hierzu bedarf es personell wie technisch einer besseren Ausstattung - sowohl bei den Behörden, als auch bei den Betreibern der Netzwerke, die Ihrer Pflicht zur Löschung solcher Inhalte nicht in ausreichendem Maße nachkommen.
Oft ist Abstoßendes aber noch von der Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Daher helfen weitere Strafverschärfungen nicht weiter, es bedarf Mechanismen wie Aufklärung und Gegenrede und einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung. Für Letztes wurden mit dem NetzDG die Weichen gestellt. Dabei geht es nicht um Zensur und auch nicht um Netzsperren, sondern geht um die Durchsetzung des geltenden Rechts und um die Verfolgung von Rechtsverletzungen, auch in sozialen Netzwerken. Die Anbieter der sozialen Netzwerke sind hier in der Verantwortung, nachdem die zugesagten Selbstverpflichtungen nicht ausreichend greifen.
In Sachen Aufklärung und Gegenrede kann aber auch jeder persönlich etwas tun. Ich appelliere an alle Nutzer, zur Deeskalation im Netz beizutragen. Man kann Hasskommentaren - soweit sie nicht wie oben dargestellt rechtlich relevant sind - zwar bestimmt, aber in sachlicher Weise entgegnen. Viele Pöbeleien und Falschmeldungen lassen sich argumentativ sehr leicht widerlegen, ohne allein durch den Ton der Antworten weitere Pöbeleien zu provozieren. Das fällt, zugegeben, nicht in jedem Fall immer leicht. Trotzdem sollten sachliche Argumente, Differenzierungen und ein höflich-normaler Umgangston im Vordergrund stehen. Der alte Grundsatz "wer schreit, hat Unrecht" hat durchaus auch im Netz seine Berechtigung. Eine gesetzliche Regulierung von Tonfall und Art der Kommunikation in den sozialen Netzwerken kann ich mir dagegen nur schwerlich vorstellen. Hier ist und bleibt letztlich die Zivilgesellschaft und jeder einzelne gefragt.