Frage an Bettina Hagedorn von Günther P. bezüglich Finanzen
Guten Tag, Frau Hagedorn,
ich wende mich an Sie als Mitglied des Haushaltsauschusses der Deutschen Bundestages.
Die Grosse Koalition hat eine unbegrenzte Bürgschaft für die Sparguthaben der Bürger dieses Landes gegeben.
Seit heute morgen sind die Börsen die WElt wieder auf Talfahrt mit der Begründung einer weltweiten Rezession;
Auch die Bundesregierung geht bei ihrer Konjumktur-Prognose für 2009 von eimem realen Wachstum von max. 0,2 % aus und schliesst dabei auch eine Rezession nicht aus.
Dieses bedeutet auch geringere Steuereinnahmen.
Ich frage Sie daher:
1. Wie will die Bundesregierung bei sinkenden Steuereinnahmen die gegeben die gegebe Bürgschaft ggf. realisieren?
2. Sind daher u.U. nach der Wahl 2009 weitere Abgabenerhöhungen geplant.
3. Gibt es seitens der Bunderegierung u.U.Überlegungen, die bereits 1989 und 2002 geplante Währungsreform erneut zu überprüfen?
Mit freundlichen Grüssen
Günther Plate
Sehr geehrter Herr Plate,
vielen Dank für Ihre Frage zur Bewältigung der Finanzmarktkrise.
Die 400 Milliarden Euro, die der Staat als Bürgschaft stellt, sind der sogenannte „Worst Case“ – der schlimmste anzunehmende Fall. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein großer Teil dieser Bürgschaft überhaupt in Anspruch genommen werden muss. Vielmehr dient dieser enorme Betrag als eine Sicherheit. Derzeit geht man von einer fünfprozentigen Inanspruchnahme aus, was etwa 20 Milliarden Euro entspräche.
Doch selbst 20 Milliarden Euro wären eine enorme Belastung für die öffentlichen Haushalte. Würde die Summe komplett hieraus finanziert, entspräche das einer Summe von 243 Euro, welche die öffentliche Hand bei jeder Bundesbürgerin und jedem Bundesbürger einsparen bzw. über Steuern oder neue Schulden zusätzlich einnehmen müsste. Für mich als Sozialdemokratin ist es unverständlich, dass es bisher keine Mehrheiten gab, die Verantwortlichen der Krise konsequent und stärker zur Rechenschaft zu ziehen: Finanzmanager, die unvertretbare Risiken eingegangen sind und sich mit Fantasiefinanzprodukten eine „goldene Nase“ verdient haben und Banken, die Anreize geschaffen haben, diese unverhältnismäßigen Risiken einzugehen. Im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, dessen Mitglied ich bin, haben wir federführend dieses Milliardenpaket beraten und gemeinsam mit dem Finanzausschuss auch die Sachverständigenanhörung dazu durchgeführt. Der Finanzausschuss hat mit ALLEN Stimmen der Großen Koalition am 16.10. eine hervorragende Empfehlung gegeben – nämlich die, eine Refinanzierung möglicher Defizite aus diesem Milliardenpaket zu Lasten des Bankensektors vorzusehen. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat einen gleich lautenden Beschluss am selben Tag gefasst. Leider sind wir im Haushaltsausschuss mit diesem Vorstoß an der CDU/CSU gescheitert. Auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 18. Oktober dieses Jahres hat die SPD zur Finanzmarktkrise einen Beschluss gefasst, in dem es u.a. heißt: „Wir erwarten, dass in europäischer Abstimmung ein Weg gefunden wird, mögliche Verluste aus Rettungsmaßnahmen auf die gesamte Finanzbranche oder auf die Institute zu verteilen, die Leistungen des Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch genommen haben.“ Nachzulesen auf http://www.spd.de/menu/1759407 . Gerade in diesem Punkt „beißen“ wir uns jedoch nach wie vor an der Union „die Zähne aus“. Diejenigen Politiker, die bisher das Hohelied auf den freien, unregulierten Markt gesungen haben (in der Union aber auch in der FDP), weigern sich standhaft, dem „Verursacherprinzip“ entsprechend den Großteil der entstehenden Kosten auf die Finanzbranche abzuwälzen.
Erste Schätzungen, welche Kosten das sogenannte „Rettungspaket“ verursachen wird, werden für das Frühjahr 2009 erwartet. Eine endgültige Summe werden Experten erst Anfang 2010 ermitteln können. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist unumgänglich, selbst wenn dafür enorme Steuergelder aufgewendet werden müssen. Eine Passivität des Staates hätte den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 zufolge langfristigere, einschneidender Folgen, und zöge sehr wahrscheinlich viel höhere Kosten nach sich.
Natürlich sind wir in der SPD uns bewusst, dass nicht nur die Folgen, sondern auch die Ursachen der Finanzkrise betrachtet und - soweit wir einen Einfluss ausüben können - präventive Maßnahmen gefunden werden müssen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erklärte eindeutig und zu Recht, dass das Rettungspaket „keine karitative Veranstaltung für Banken oder ihre Manager“ ist, sondern dem Mittelstand und auch dem Sparer helfen soll. Wichtig ist: Diese Maßnahmen sind keine Blankoschecks, sondern an Bedingungen geknüpft. Hierzu gehören vor allem eine Höchstgrenze für Vorstandsbezüge, ein Verzicht auf Bonuszahlungen und ein Verzicht auf Dividendenausschüttungen. Hierzu hat die SPD weitere wichtige grundsätzliche Forderungen aufgestellt, um in Zukunft einer solchen Krise der Finanzmärkte vorzubeugen:
„Die Rolle des Internationalen Währungsfond (IWF) ist zu stärken. Die international existierenden Steueroasen und weitgehend regulierungs- und rechtsfreie Offshore-Finanzzentren müssen trocken gelegt werden. Wir fordern eine internationale Regulierung und Aufsicht von Rating- Agenturen, die verantwortliches Handeln sicherstellt. Es darf künftig keinen unregulierten Marktbereiche und keine "Regulierungs-Arbitrage" mehr geben. Es ist zu gewährleisten, dass Risiken nicht außerhalb von Bilanzen platziert werden dürfen. Wir wollen neue Transparenzpflichten für Risiken und eine höhere Risikovorsorge bei den Kreditinstituten. Die stetige Integration der Finanzmärkte erfordert eine starke, effektive und effiziente Kontrollinstanz - national, europäisch, international. Eine Zulassungspflicht für Finanzmarktprodukte und Finanzinstrumente ist zu prüfen, auch mit der Option, solche Produkte und Instrumente verbieten zu können, wenn sie mit zu hohen Risiken verbunden sind, die sich systemisch auswirken könnten. Kreditfinanzierungen über sog. leveraged buy-outs (LBO), wie sie vorwiegend von Hedge-Fonds und Private Equity-Gesellschaften durchgeführt werden, gehören stärker reguliert. Die Vergütung von Vorständen und Managern muss neuen Regelungen unterworfen werden. Die Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte (Paragraphen 93, 116 AktG) ist heute bereits strikt geregelt. Sie haften gegenüber der Gesellschaft für leichtestes Verschulden ohne jede höhenmäßige Begrenzung mit ihrem gesamten Privatvermögen.“
Momentan lässt sich nicht voraussagen, wie die Krise sich weiter entwickelt und wie groß die Belastung für den Bundeshaushalt letztlich sein wird. Seriöse Aussagen oder Prognosen über den möglichen Bedarf der von Ihnen angesprochenen Abgabenerhöhungen sind daher frühestens nach den ersten verlässlichen Schätzungen über die Kosten der Finanzkrise im kommenden Jahr möglich.
Ihre Bemerkung zur Überprüfung von Währungsreformen ist mir unverständlich. Als langjähriges Mitglied der EU und Mitbegründer der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zweifelt Deutschland die Einführung des Euros gewiss nicht an. Ebenso wenig gibt es für mich eine Begründung, die Währungsunion von 1990 in Frage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen