Frage an Bettina Hagedorn von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
zu
Eltern kritisieren: Die Bundeswehr unterwegs an Schulen ...
http://www.br.de/radio/bayern1/sendungen/bayernmagazin/bundeswehr-schule100.html
Zum letzten Satz im Auszug:
Die Sprecherin des Elternverbandes wünscht sich, daß an PTBS(seelische Traumatisierung) erkrankte Soldaten junge Menschen in den Schulen informieren.
Was halten Sie davon?
Trifft es zu, daß PTBS im Afghanistankrieg überdurchschnittlich häufig vorkommt?
Trifft es zu, daß PTBS zur Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit und zur Zerstörung von Familien führen kann?
"Wie früher in der Zigarettenwerbung
Gleich zu Beginn zeigt die uniformierte Jugendoffizierin einen dreiminütigen Werbefilm. Er vermittelt Freiheit, Abenteuer, Kameradschaft und Begeisterung für Waffen und Technik: Da fliegen Jagdbomber in Formation wie bei Top Gun, fesche Matrosen klettern flink in die Wanten eines Segelschiffs, Panzer wühlen sich spektakulär durchs Gelände. Dazu erklingt eine Musik, die eher an einen Actionfilm erinnert oder an Zigarettenwerbung. Nicht zu sehen sind Soldaten, die verwundet sind oder bis zum Heulkrampf erschöpft, auch die Opfer der Gegner kommen nicht ins Bild.
Trauma Krieg bleibt ausgeblendet
Oberstleutnant Carsten Spiering glaubt, dass seine Jugendoffiziere genau zwischen Werbung und Information unterscheiden können. Dagegen ist Ursula Walther vom Bayerischen Elternverband überzeugt, dass die Bundeswehr hier für sich werben will. Schließlich registriert Walther mehr Schulbesuche der Jugendoffiziere, seit die Wehrpflicht weggefallen ist. Die Sprecherin des Elternverbandes fordert deshalb, dass Eltern ihre Kinder leichter von den Veranstaltungen der Bundeswehr in der Schule befreien können. Außerdem würde sie sich wünschen, dass die Jugendoffiziere in der Schule zusammen mit einem Referenten aus der Friedensbewegung auftreten oder mit einem Soldaten, der im Auslandseinsatz eine seelische Traumatisierung erlitten hat."
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
ich bedanke mich für Ihr erneutes Schreiben zum Thema „Eltern kritisieren: die Bundeswehr unterwegs an Schulen…“. Nicht zum ersten Mal prangern Sie in Ihren Schreiben die angebliche „Werbung“ der Bundeswehr an Schulen an. Dazu möchte ich klarstellen: Es ist NICHT Aufgabe der Jugendoffiziere, Schüler für die Bundeswehr zu rekrutieren. Jugendoffiziere kommen NUR auf Einladung der Schule in den Unterricht, der im Vorfeld von den zuständigen Lehrern vorbereitet werden muss. Jugendoffiziere sind einem pluralistischen, überparteilichen und vor allem unabhängigen Ansatz verpflichtet und erfüllen als Referenten auf den Informationsveranstaltungen der Schulen eine wichtige Aufgabe.
Sie haben mich per persönlicher E-Mail gebeten, bei meiner Antwort hier auf abgeordnetenwatch.de auch auf einen Beitrag der ARD-Sendung Panorama zum Thema einzugehen. Zum Verständnis für alle anderen Leser ist der Beitrag noch einmal hier ( http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2011/bundeswehr229.html ) zu finden. Ich stimme dem ehemaligen Wehrbeauftragen Reinhold Robbe – der im übrigen wie ich Mitglied der SPD ist – ausdrücklich zu, wenn er dort sagt, dass Jugendoffiziere in Schulen ausgewogen sowohl über Chancen als auch über Risiken und Gefahren bei einer möglichen Karriere bei der Bundeswehr informieren müssen. Ich stimme Ihnen zu, dass Beiträge der Bundeswehr – wie sie ausschnittsweise und beispielhaft in dem Panorama-Beitrag gezeigt werden – das Aufgabenfeld und die mit der Verpflichtung für mögliche Auslandseinsätze verbundenen Gefahren romantisieren und einen neutralen, aufgeklärten Blick auf die Realität vermeiden. Allerdings kenne ich nur diese Ausschnitte und mir ist nicht bekannt, ob, wann und in welchen Schulen derartige Werbefilme in welchem pädagogischen Gesamtkonzept zum Einsatz gekommen sind.
Mit der seelischer Traumatisierung (PTBS) von Soldaten der Bundeswehr nach Auslandseinsätzen sprechen Sie zurecht ein sehr wichtiges Thema an, das mir und der SPD sehr am Herzen liegt. Laut Angaben der Bundeswehr ist die Zahl traumatisierter Soldaten 2011 um mehr als ein Viertel von 729 (2010) auf 922 gestiegen; 2004 waren „nur“ 100 registriert worden. Während die Soldaten in Afghanistan jeden Tag aufs Neue bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ihr Leben riskieren, müssen wir in Deutschland sicherstellen, dass sie Unterstützung nicht nur bei der materiellen Ausrüstung erhalten, sondern auch Aufklärungshilfe insbesondere bei PTBS. Der Bundestag hat am 28. Oktober 2011 die Rechte von traumatisierten Soldaten mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP verbessert.
PTBS ist eines der Themen, die als Risiken und Gefahren aus meiner Sicht bei einer solchen Informationsstunde seitens der Jugendoffiziere erwähnt werden müssen – vor allem muss aber generell darauf hingewiesen werden, dass Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen ihr Leben riskieren. Ich bin überzeugt, dass dies nicht nur durch die Jugendoffiziere selbst, sondern vor allem durch die sorgfältige Vor- und Nachbereitung der Lehrerinnen und Lehrer wie durch die Schüler selbst geschieht, die ich bei regelmäßigen Besuchen von mir in Schulklassen sehr wohl als informierte und kritische junge Mitbürger erlebe.
Ich denke, dass in Einzelfällen – so dies denn möglich sein sollte und es Soldaten mit PTBS gibt, die bereit sind, die Aufgabe von Jugendoffizieren zu übernehmen – deren persönliches Auftreten eine Bereicherung für Informationsveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen sein kann. Ich bin aber sicher, dass dieses nicht zur Regel gemacht werden kann, weil das nur auf freiwilliger Basis der Betroffenen funktioniert. Jugendoffiziere der Bundeswehr können aber auch als nicht persönlich von PTBS Betroffene ihrer Informationsaufgabe in diesem sensiblen und wichtigen Bereich voll gerecht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn