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Bettina Bähr-Losse
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Frage von Wilfried H. •

Frage an Bettina Bähr-Losse von Wilfried H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Bähr-Losse

stimmet es Sie nicht froh, dass sie als SPD Abgeordnete des Wahlkreises Rhein-Sieg II gegen die Gesetzesänderung zur "Schaffung einer Bundesautobahn Gesellschaft" gestimmt haben? Gibt es wenigstens hier im Landkreis noch aufrechte Sozialdemokraten, die gegen die Parteidisziplin votieren?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hennes,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Da wir offensichtlich Ihre Bedenken bezüglich der Privatisierungstendenzen der neuen Autobahngesellschaft teilen, möchte ich Ihnen kurz erläutern, was mich letzte Woche dazu bewogen hat, gegen die geplante Änderung des Grundgesetzes zu stimmen.

Die Entscheidung war für mich keine leichte, weil es über ein komplexes Gesamtpaket zu entscheiden galt. So ist die vorgesehene Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs durchaus sinnvoll: Sie ermöglicht es, dass der Bund in seiner Verantwortung für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gestärkt wird. Davon können gerade Kommunen in Nordrhein-Westfalen, wie Sankt Augustin, die nunmehr bei der Verteilung von Bundesmitteln stärker berücksichtigt werden, profitieren. Mein Gefühl ist, dass wir es bei der künftigen schwarz-gelben Landesregierung nötig haben werden. Deshalb habe ich in den Abstimmungen, die isoliert den Finanzausgleich betrafen (wie übrigens viele Mitglieder der LINKE- und Grünen-Fraktionen auch). Die Koalitionsspitze hat sich aber dazu entschieden ihn mit der Autobahngesellschaft zu einem Gesamtpaket zu verbinden.

Bei der Autobahngesellschaft hat die SPD hart gekämpft, um die Privatisierungsfantasien der CDU/CSU zu zügeln. In weiten Teilen haben wir uns durchsetzt. So gibt es im neuen Gesetz eine doppelte Privatisierungsschranke. Der Bund bleibt 100-prozentiger Eigentümer sowohl der Autobahngesellschaft als auch der Autobahnen selbst. Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Auch bei der Gesellschaftsform gab es Verbesserungen: Die Autobahngesellschaft wird eine GmbH, keine Aktiengesellschaft (AG) mit mächtigen Aktionären.

Diesen SPD-Kampf gegen Privatisierung, der immer konstruktiv blieb, honoriere ich ausdrücklich. Der Diskurs wurde von unserer Fraktion mit echtem Einsatz und voller Aufrichtigkeit geführt. Auch aus diesem Grund führt es am Ziel vorbei von „aufrechten“ und „nicht aufrechten“ Sozialdemokraten zu sprechen.
Dennoch überwiegt für mich die immer noch nicht vollständig gebannte Gefahr einer schleichenden Privatisierung. Diese droht erstens in Form der immer noch bestehenden Möglichkeit von regionalen Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), die der Bundesrechnungshof mehrmals als ruinös entlarvt hat. Zweitens kann die GmbH durch eine Zustimmung des Bundestages – die bei einer neoliberalen schwarz-gelben Koalition sicherlich prompt erfolgen würde – in eine AG umgewandelt werden. So wären einer vollständigen Privatisierung Tür und Tor geöffnet.

Bitte beachten Sie trotzdem: Zu behaupten, dass die SPD die Autobahnen privatisiert habe, wäre faktisch falsch. Die theoretisch denkbaren negativen Szenarien im Hinblick auf künftige ÖPP-Projekte werden nur Wirklichkeit, wenn die heute beschlossenen Ausführungsgesetze geändert werden. Wann würde das passieren? Bei einem schwarz-gelben Wahlsieg am 24. September!

Ich habe vor die künftige Entwicklung der Autobahngesellschaft – konstruktiv, aber skeptisch – zu begleiten. Gleiches will die SPD. Nach wie vor gilt also: Eine Stimme für die SPD ist eine Stimme gegen die Privatisierung!

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Bähr-Losse