Frage an Bernhard Seidenath von Georg B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Seidenath,
in der heutigen SZ-online steht ein Artikel, der über die Erforschung der Wirkungslosigkeit des sog. Grippemittels "Tamiflu" berichtet.
Es wurde darin erläutert, daß sich die Behörden immer auf andere Behörden bezogen haben, selbst aber nicht aktiv wurden.
Für uns, sprich den bayerischen Staat, ist der Verlust riesig. Die Bevorratung dieses Medikamentes kostete 54,7 Millionen Euro.
Meine Fragen an Sie:
1. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, damit sich so etwas ähnliches nicht mehr wiederholt?
2. Wie müssten sich die Strukturen und die Handlungsabläufe verändern?
3. Welche Behörde hat Ihrer Meinung nach die Fehleinschätzung zu verantworten?
4. Sind Sie bereit einen Untersuchungsausschuß zu befürworten, der über diese Frage und auch über möglicherweise Beeinflussung bzw. illegale Geschäftspraktiken forscht?
5. Ist Ihres Wissens die Staatsanwaltschaft schon wegen dieses Falles aktiv geworden, bzw. falls nicht, würden Sie dort nachfragen, weshalb nicht?
Ich danke Ihnen als Volksvertreter der bayerischen Bevölkerung und stellvertretenden Vorsitz des Gesundheitsausschusses
Mit freundlichen Grüssen
Georg Buchwieser
Sehr geehrter Herr Buchwieser,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst überrascht mich die Aussage, "Tamiflu" sei wirkungslos. Bisher war dies das einzige Mittel, das bei heftigen viralen Erkrankungen helfen konnte. Ich werde hierzu aber weitere Informationen einholen und mich anschließend wieder bei Ihnen melden. Da ich bislang schon Ihre Ausgangsthese nicht verifizieren kann, kann ich folgerichtig bisher keine Angaben zu Ihren fünf Fragen machen. Dies werde ich aber gerne nachholen, sobald ich schlauer bin.
So wünsche ich Ihnen zunächst ein angenehmes Wochenende und grüße Sie freundlich aus dem Dachauer Land
Bernhard Seidenath
Sehr geehrter Herr Buchwieser,
nach meiner Zwischennachricht komme ich noch einmal auf Ihre Anfrage vom 10. April zurück.
Nach einer intensiven Beschäftigung mit diesem Themenkomplex habe ich bisher keinen stichhaltigen Beleg für Ihre Annahme der Wirkungslosigkeit des Grippemittels Tamiflu® und folglich des Vorliegens einer Fehleinschätzung gefunden.
Fakt ist: Bereits 2012 wurde in der Presse über eine Studie der Cochrane Collaboration berichtet, die Zweifel an der Wirksamkeit und an der Vertretbarkeit der Nebenwirkungen des Grippemittels Tamiflu® geäußert hatte. Sowohl die europäische Zulassungsbehörde, die European Medicines Agency (EMA), als auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatten damals dazu Stellung genommen und sind zu dem Schluss gekommen, dass das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis für Tamiflu® und damit auch die Zulassung unverändert bestehen blieben.
In einem aktuellen Artikel im British Medical Journal vom 09.04.2014 diskutieren die Autoren der Cochrane Collaboration ihre neueste Studie zur Wirksamkeit von Tamiflu®, in dem nun alle, auch die bisher von der Firma Roche (Hersteller von Tamiflu®) der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemachten Daten zur Wirksamkeit ausgewertet wurden. Laut den Autoren konnten auch die neu zur Verfügung gestellten Daten Zweifel an der Wirksamkeit und die Vertretbarkeit der Nebenwirkungen von Tamiflu® nicht ausräumen.
Um die Aussagen der Studie nachprüfen zu können, ist eine entsprechende wissenschaftliche Expertise und Erfahrung bezüglich der verwendeten komplexen statistischen Verfahren notwendig. Deshalb ist es jetzt wieder die Aufgabe der Arzneimittelzulassungsbehörden EMA und BfArM, sich mit dem aktuellen Cochrane-Bericht auseinanderzusetzen und diesen wissenschaftlich zu bewerten. Mit der Bewertung der Arzneimittelzulassungsbehörden werden sich anschließend die Gremien der Gesundheitsministerkonferenz, in der die Gesundheitsministerien der Bundesländer zusammenkommen, befassen. Sie werden dann im Fall des Falles - gerade für künftige Fälle - die notwendigen Schlüsse ziehen müssen.
Auf europäischer Ebene wurde bereits auf die Vorwürfe einer mangelnden Datentransparenz insoweit reagiert, als dass nach einer neuen EU-Verordnung (Clinical Trials Regulation) Ergebnisse von klinische Studien, also auch von Zulassungs- und Wirksamkeitsstudien der Hersteller, zukünftig auf einem Internetportal der EMA frei zugänglich gemacht werden müssen.
Auch auf der Basis der aktuellen Erkenntnisse und nach einer Abwägung der Vor- und Nachteile kann das Vorgehen der Behörden nicht beanstandet werden.
Die Bevorratung von antiviralen Arzneimitteln, zu denen auch Tamiflu® gehört, ist eine Vorsorgemaßnahme im Hinblick auf eine Influenzapandemie, die eine lebensbedrohliche Situation für eine unübersehbare Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern bedeuten würde. Hierauf reagiert der nationale Pandemieplan.
Nach Auffassung des BfArM sind im drei- bis viermonatigen Zeitraum zwischen Auftreten eines Influenza-Pandemie-Virus und Verfügbarkeit eines geeigneten Impfstoffs antivirale Arzneimittel die einzige Möglichkeit einer Arzneimitteltherapie. Zudem hatte das Robert Koch-Instituts (RKI) eine staatliche Bevorratung für die Therapie von 20 Prozent der Bevölkerung empfohlen, um eine möglicherweise fehlende Verfügbarkeit antiviraler Arzneimittel auf dem Markt im Pandemiefall abzufangen. Auf der Grundlage des aktuellen Stands der Erkenntnisse lässt sich folglich feststellen: die Strukturen und Handlungsabläufe sind den massiven Gefahren, die eine Pandemie für Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen würde, gerecht geworden.
So hoffe ich, Ihnen mit diesen Erläuterungen etwas weitergeholfen zu haben, und grüße Sie freundlich
Bernhard Seidenath