Unterstützen Sie nach den Enthüllungen von Correctiv ein Verbotsverfahren der in großen Teilen faschistischen Partei AfD? Und falls nicht, warum?
Sehr geehrter Herr F.,
die AfD hat kein ernsthaftes Angebot und keine Alternativen zu den drängenden Fragen unserer Zeit. In Zeiten multipler Krisen schürt sie Ängste in der Bevölkerung, die der Nährboden ihrer rechtspopulistischen, menschenverachtenden Politik sind. Einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge wären dabei paradoxerweise die Hauptleidtragenden der AfD-Politik ihre eigenen Wähler:innen.
„Seid vorsichtig, was ihr euch wünscht“, diese alte Weisheit trifft auf AfD-Wähler:innen und Sympathisant:innen stärker zu als auf anders Wählende. Die AfD-Ideologie und Politik – reduziert den Staat in der Wirtschafts- und Steuerpolitik auf eine Nachtwächterrolle, beschneidet die Sozialsysteme, beschränkt Chancen und Teilhabe marginalisierter Gruppen in der Demokratie, ignoriert Globalisierung und Klimaschutz. Eine solche Politik würde nicht nur Deutschland ruinieren, sondern ebenso den AfD-Wähler*innen schaden, ihre Lebensqualität und Chancen reduzieren.
Vor allem aber fußen Ideologie und Politik der AFD auf einem menschenverachtenden Politikverständnis, das nicht dem konkurrenzdemokratischen Wettbewerb zwischen Parteien folgt, sondern auf einem Freund-Feind-Verhältnis beruht, das den oder die Andersdenkenden, die Minderheit, einzelne Gruppen zu Objekten macht, denen sie eine Schuld für welche auch immer auftretenden Ungerechtigkeiten aufbürdet: Immer sind es die Flüchtlinge, die Migranten oder auch Menschen mit Einschränkungen. Danach kommen dann andere Gruppen, die Lügenpresse, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und so weiter.
Eine zentrale Aufgabe aller demokratischen Parteien muss es daher sein, die Widersprüche und politischen Wurzeln der AfD-Positionen offenzulegen, die individuellen und kollektiven Fehleinschätzungen zu benennen und den AfD-Populismus durch den öffentlichen Diskurs zu entlarven.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält meines Erachtens zu Recht an seiner Haltung fest: Durch konkrete Politik, die die Sorgen der Bevölkerung ernstnimmt und ihre Ängste nicht instrumentalisiert, werden auch die falschen Versprechen der AfD demaskiert.
Ich stand der Einleitung einer Prüfung eines AfD-Verbots vor dem Bundesverfassungsgericht bisher skeptisch gegenüber. So ein Verfahren würde Jahre dauern und den Parteifunktionären die Möglichkeit geben, sich als Märtyrer darzustellen und ihnen womöglich noch mehr Zuspruch verschaffen. Und rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung verschwinden ja leider nicht, wenn es die Partei nicht mehr gäbe.
Unabhängig von einem Prüfverfahren ist es meines Erachtens vorrangig, den demokratischen Protest gegen die AFD zu verstärken, die Zivilgesellschaft aufzurufen, sich für unser Grundgesetz und die darin verbrieften Grundrechte erkennbar zu engagieren.
Ich weiß aber vor allem von meinen Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern wie weit in der Mitte der Gesellschaft die AFD dort mittlerweile verankert ist. Und auch im Westen legen die Umfragen eine ähnliche Vermutung nahe, leider.
2024 ist Superwahljahr in Deutschland mit der Europawahl, fünf Kommunal- und drei Landtagswahlen im Osten, in denen die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft ist.
In einem kürzlich vorgetragenen Bericht in meiner Fraktion wurde erst recht nach den Enthüllungen der Rechercheplattform Correctiv die Möglichkeit aufgeworfen, ein Prüfungsverfahren nicht sofort generell, sondern vor allem in den Bundesländern einzuleiten, in denen die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes eindeutig die Verfassungswidrigkeit nachweisen können. Das ist allerding selbst eine große verfassungsrechtliche Herausforderung.
Klar ist natürlich, dass wir es uns als Demokraten nicht länger gefallen lassen dürfen, dass die AfD nach außen als verfassungstreu auftritt, aber gleichzeitig führende AfD-Politiker an der Zersetzung unserer offenen Gesellschaft arbeiten.
Ich werde einem generellen Antrag auf Prüfungsverfahren sofort zustimmen, wenn dieser Aussicht auf Erfolg hat. Würde ein Prüfungsverfahren beim Verfassungsgericht scheitern, wäre der Schaden für unsere Demokratie gewaltig. Auch diese Möglichkeit müssen wir bedenken.
Ich hoffe Ihnen mit diesem Schreiben eine verständliche Antwort gegeben zu haben und bedanke mich noch einmal für Ihren Einsatz für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
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Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup