Frage an Bernhard Daldrup von Lothar G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Daldrup,
seit langem wird schon die Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze diskutiert. Ihre Partei ist bei diesem Thema die Bremse in der derzeitigen Koalition. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar, da möglichst viele Menschen eine sozialversicherte Beschäftigung haben sollen, wenn es sich um die einzige Beschäftigung handelt.
Nun gibt es aber auch noch die andere Seite der Medaille, von der unter anderem ich betroffen bin. Als nebenberuflicher Organist (zusätzlich zu meiner Vollzeitbeschäftigung) muss ich seit Jahren bei jeder Tariferhöhung per Änderungsvereinbarung meinen Stundenumfang reduzieren, damit mein Entgelt für die Nebenbeschäftigung nicht sozialversicherungs- und steuerpflichtig wird. Im Jahr 2017 geschah dies sogar versehentlich (Überschreitung um einige wenige Euro) und bescherte mir einen Schaden von mehreren Tausend Euro. Einen Teil meiner Dienste verrichte ich deswegen schon lange unbezahlt. Diese seit acht Jahren unveränderte Grenze von 450€ trotz Inflation und Tarifrunden ist da aus meiner Situation heraus betrachtet ein veritables Ärgernis und für mich auch ein Sinnbild für den politischen Stillstand in der dritten großen Koalition.
Jetzt kommt endlich die Frage:
Kann man die geringfügige Beschäftigung nicht so regeln, dass, wenn es sich um die einzige Beschäftigung handelt, eine niedrigere Grenze gilt (z.B. 400€) und für Nebenbeschäftigungen eine höhere Grenze herangezogen wird? Das wäre eine Möglichkeit, dieses Instrument für die verschiedensten Beschäftigungssituationen passend zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Glorius,
herzlichen Dank für diese Anfrage.
Minijobs sind eine beliebte Möglichkeit, weitgehend steuer- und beitragsfrei etwas dazuzuverdienen.
Gerade aber in der Krise hat sich gezeigt, wie fatal die Lage für Minijobber*innen werden kann: Mit Minijob ist man weitgehend ungeschützt und es gibt keine Schutzmechanismen wie beispielsweise die Kurzarbeit. Auch unabhängig von der aktuellen Situation ist belegt, dass sich mehr als 80 Prozent geringfügig Entlohnten von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen und/oder ihren 450-Euro-Job als einzige Erwerbstätigkeit ausüben, was sie sehr anfällig für Altersarmut macht.
Wird die Verdienstgrenze nun auf 530 € oder 600 € angehoben, würde man nicht nur viele um eine sozialversicherungspflichtige Stelle bringen, sondern auch die Attraktivität dieser Beschäftigungsform für Unternehmen erhöhen. Um es zusammenzufassen: Minijobs verhindern Lohnerhöhungen, verdrängen reguläre Arbeitsplätze und befördern auf lange Sicht die Altersarmut. Das Argument über die Verdienstgrenzen-Anhebung ist hier für uns als SPD nicht nachhaltig. Das Monatsgehalt eines Minijobbers/einer Minijobberin würde zwar geringfügig steigen, ihre Stundenlöhne allerdings nicht: Am Ende des Monats haben Sie mehr verdient, aber dafür auch mehr arbeiten müssen. Die SPD will hier den Weg über Mindestlohnerhöhungen und bessere Tariflöhne bzw. -bedingungen gehen, statt dem Niedriglohnsektor einen größeren Spielraum einzuräumen.
Dies sind die hauptsächlichen Gründe, warum wir Sozialdemokraten*innen uns gegen eine Erhöhung der Verdienstgrenze aussprechen - Gründe, die Sie offensichtlich auch nachvollziehen können.
Ihrem speziellen Fall kommt zugute, dass Sie einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen und der 450-Euro-Job eher einer "Ehrenamtspauschale" gleichkommt. Das ist auch das Stichwort: Für Sie bestehen durchaus andere Lösungen für eine angemessene Entlohnung ohne auf Stunden oder gar Lohn zu verzichten: Ein Weg könnte über die sog. Übungsleiterpauschale führen. Nebenamtlich tätige Kirchenmusiker sind beispielsweise häufig entweder als selbständig Tätige (Werkvertrag §§ 631 ff BGB) oder als Ehrenamtliche (als Organist im Rahmen des Übungsleiterfreibetrages § 3 Nr. 26 EStG) aktiv. Die Einnahmen aus der Beschäftigung sind bei Letzterem maximal bis zur festgelegten Höhe (neu ab 2021: 3000 Euro) steuerfrei bzw. wirken sich Einkommenssteuermindernd aus. Den Anspruch auf die Übungsleiterpauschale (die Pauschale schließt rein künstlerische Tätigkeiten mit ein!) haben Sie übrigens auch, wenn Sie geringfügig beschäftigt sind. Der Freibetrag kann hier blockweise oder anteilig angewandt werden.
Wenn Sie hierzu Rückfragen haben, können Sie mich gern persönlich kontaktieren. Allerdings weise ich darauf hin, dass ich zur Rechtsberatung nicht befugt bin. Ich empfehle Ihnen, sich an einen Steuerberater zu wenden. Das wäre meines Erachtens die bessere Wahl, als die (sozial richtige!) „Blockadehaltung der SPD“ bei der Geringfügigkeitsgrenze aufbrechen zu wollen.
Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen
Bernhard Daldrup, MdB
Kommunalpolitischer Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion