Frage an Bernhard Daldrup von Blaise E. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Daldrup,
da Sie Mitglied des Finanzausschusses und der SPD sind, habe einige Fragen zu der Beschränkung der Verlustabzugsberechtigung bei Termingeschäften bei Privatanlegern. Nach dem neuen Gesetze zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen gilt ab 2021 eine neue Beschränkung der Verlustverrechnung auf 10.000 € pro Veranlagungszeitraum bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG, während die Gewinne aus Termingeschäften aus dem selben Veranlagungszeitraum der vollen Besteuerung unterliegen. Verluste aus Termingeschäften sind zudem nicht mit sonstigen Gewinnen aus Kapitaleinkünften verrechenbar. Die Regelung führt zu folgenden undenkbaren Konstellationen:
Beispiel - Privatanleger 1:
Gewinne aus Termingeschäften 2021: 100.000 €
Verluste aus Termingeschäften 2021: 90.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 10.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz nur 10.000 €
Zu versteuernder Gewinn: 90.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 23.737,50 €
In diesem Beispiel führt die neue gesetzliche Regelung also bei Privatanleger 1 dazu, dass er mehr Steuern zahlt, als er Gewinn erwirtschaftet hat. Inwieweit halten Sie das Ergebnis für verfassungsrechtliche gerechtfertigt und jenseits der rechtlichen Beurteilung für gerecht und fair?
Beispiel - Privatanleger 2:
Gewinne aus Termingeschäften 2021: 30.000 €
Verluste aus Termingeschäften 2021: 20.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 10.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz nur 10.000 €
Zu versteuernder Gewinn: 20.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 5.275 €
In diesem Beispiel hat der Privatanleger 2 faktisch und wirtschaftlich genau so viel Gewinn im Steuerjahr erwirtschaftet, wie Privatanleger 1 (jeweils 10.000 €). Privatanleger 2) zahlt jedoch nur 5.275 € Steuern während Privatanleger 1) 23.737,50 € steuern zahlt.
Inwieweit begründen Sie, dass diese steuerliche Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich zulässig ist und zudem auch jenseits der rechtlichen Beurteilung gerecht und fair ist?
Beispiel - Privatanleger 3:
Privatanleger 3 investiert ausschließlich langfristig und breit gestreut in Aktien, da er auf seinem Sparbuch keine Zinsen mehr bekommt. Da Privatanleger 3 risikoscheu ist, nutzt er Short-Optionsscheine auf den DAX, um sein Depot vor Marktrisiken wie einem Börsencrash zusätzlich vor fallenden Kursen abzusichern (sog. Marktneutrale-Anlagestrategie für Risikoscheue).
Gewinn aus Aktiendepot 2021: 30.000 €
Verlust aus Optionscheinen (Absicherung des Marktrisikos): 25.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 5.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz 0 €
Steuerbarer Gewinn: 30.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 7.912,50 €
Da Verluste aus Termingeschäften nicht mit Gewinnen aus einem Aktiendepot verrechnet werden dürfen, muss der Risikoscheue Privatanleger 3 nach der neuen Regelung mehr Steuern zahlen, als er wirtschaftlich Gewinn gemacht hat.
Inwieweit halten Sie dieses Ergebnis für verfassungsrechtliche Zulässig und für Sinnvoll und fair?
Will die SPD das Gesetz nochmals überarbeiten? Ansonsten ist wohl eine Klagewelle garantiert und die Empörung der Privatanleger groß!
Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr El Mourabit,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich weiß, dass Sie auch meinen Abgeordnetenkollegen und finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, mehrmals angeschrieben haben und er Ihnen bereits ausführlich geantwortet hat. Daher halte ich es kurz:
Die Beschränkung der Verlustabzugsberechtigung bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG auf 10.000 € pro Veranlagungszeitraum ist aus meiner Sicht verfassungsrechtlich und auch sonst nicht zu beanstanden, weil eine entsprechende Verlustverrechnung in den Folgejahren möglich ist. Durch die Beschränkung wird die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt. Es ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, dass sich ein Verlust steuerlich bereits im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss.
Sollte es – wie von Ihnen erwartet – zu einer „Klagewelle“ kommen, werden die Gerichte darüber entscheiden müssen. Sollte die Rechtsprechung zu einem gegenteiligen Urteil gelangen, werden wir über weitere Schritte diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup