Frage an Bernhard Daldrup von Paulo da S. bezüglich Verkehr
Die Autobahnen werden privatisiert. Dazu:
* Wie hoch wird die zu zahlende Maut werden?
* Welche Infrastruktur-Leistung wird die öffentliche Hand als nächstes aus der Hand geben? Die Finanzämter?
Sehr geehrter Herr da Silva,
die Autobahnen werden nicht privatisiert.
Die SPD hat sich immer gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchgesetzt, das am Donnerstag im Deutschen Bundestag abschließend beraten wurde. Ein Element des Pakets sind die Gesetzentwürfe zur Neuordnung der Verwaltung und des Baus von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland. Schon innerhalb der Bundesregierung ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen:
Im Grundgesetz selbst wird in Artikel 90 geregelt, dass sowohl die Bundesfernstraßen als auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird, im unveräußerlichen, 100-prozentigen Eigentum des Bundes steht. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat.
In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetz-Änderungen durchgesetzt.
1) Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat.
2) Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.
Mit diesen Grundgesetz-Änderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker und manche Kampagne hat absurderweise gerade die SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetz-Änderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen.
Dies bestätigt uns auch der unabhängige Bundesrechnungshof (BRH), der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. In seinem jüngsten Bericht vom 24. Mai 2017 gleicht der BRH die Empfehlungen aus seinen Berichten mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen ab und kommt zusammenfassend u.a. zu folgenden Ergebnissen:
„Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. Die Gründung von regionalen Tochtergesellschaften ist nicht mehr zwingend vorgegeben, sondern steht nunmehr im Ermessen der Infrastrukturgesellschaft. Der Änderungsantrag enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. So soll auch künftig der Bundesautobahnbau über den Bundeshaushalt finanziert werden. Dazu sollen der Infrastrukturgesellschaft Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt werden. Überdies soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“
Im Ergebnis haben wir als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist 100-prozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt.
Neben den beiden Grundgesetz-Änderungen verweise ich auf folgende Punkte, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder auftauchen und oft falsch dargestellt werden:
1.) Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch.
2.) Eine Übertragung von sog. Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.
3.) Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von Nieß-brauch-Rechten und anderen Rechten werden ausgeschlossen.
4.) Mautgläubiger der LKW-Maut und der PKW-Maut bleibt der Bund. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wird gestrichen.
5.) Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert.
6.) Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen (weswegen beispielsweise die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt macht, obwohl sie könnte). Drittens und aus meiner Sicht am wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetz-Änderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekte an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden. Die Möglichkeiten für ÖPP Projekte sind unstreitig deutlich geringer als dies heute der Fall ist!
Zu guter Letzt war uns wichtig, dass die Reform nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme führt, sondern dass die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages gewahrt bleiben. So bedürfen zum Beispiel der Gesellschaftsvertrag der GmbH und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Mitglieder des Deutschen Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfreche des Bundesrechnungshofes verankert werden. Aus der ursprünglich geplanten staatsfernen Gesellschaft ist somit eine staatliche Gesellschaft geworden, die demokratischer Kontrolle unterliegt.
In der Summe ergibt sich damit ein Gesetz, dem man guten Gewissens zustimmen kann. Die im Regierungsentwurf angelegte Reform und teilweise Beendigung der Auftragsverwaltung für die Autobahnen ist sinnvoll. Die bundeseigene Verwaltung verspricht zügigere Baumaßnahmen und einen effizienteren Mitteleinsatz. Der Bund ist künftig durch die zentrale Steuerung weniger abhängig von der Kooperationsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit von Landesstraßenbauverwaltungen, um seine Prioritätensetzungen bei den Verkehrsinvestitionen umzusetzen. Ferner wird der Lebenszyklus einer Bundesautobahn in den Fokus gerückt.
Entscheidend sind aber die Verbesserungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben.
(1) Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz.
(2) Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt und schaffen eine leistungsfähige neue Organisation, die ein attraktiver Arbeitgeber wird.
(3) Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup