Frage an Bernhard Daldrup von Sven H. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Senker,
wie stehen Sie zum Thema der Sperrung von Internetseiten (Stichwort Kinderpornografie)? Mir geht es vor allem dabei um die Frage nach dem Sinn, wenn man - durch minimale Recherche - zum einen Wege der Umgehung findet, zum zweiten lediglich durch Beamte des BKA Sperren verhängt würden - ohne richterlichen Beschluß - und somit judikative und exekutive Gewalt in "einer Person" ausüben würden, zum dritten unbescholtene Bürger mit einem Fehlklick auf eine Internetseite theoretisch als "Kriminelle" abgestempelt werden könnten (inklusive Haus- und Festplattendurchsuchung) - so zumindest stellt sich der Gesetzesentwurf zu diesem Thema in meinen Augen dar.
Die selbe Frage stelle ich ebenfalls den Kandidaten der Parteien in meinem Wahlkreis und würde mich über eine ausführliche Stellungnahme freuen.
mit freundlichem Gruß
Sven Hanses
Sehr geehrter Herr Hanses,
vielen Dank für Ihre Frage zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen, das am 18. Juni 2009 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden ist.
Ihre Einwände kann ich durchaus nachvollziehen. Ungeachtet der sicher übereinstimmenden Meinung, dass wir alle einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung wollen, besteht bei der Internetsperre die Sorge, sie auf andere Inhalte auszudehnen oder die Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern einzuschränken.
Erlauben sie mir deshalb, die komplexen Zusammenhänge zu diesem sensiblen Thema etwas ausführlicher darzustellen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat zum effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung mit einem im Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine der Kernforderungen lautet, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.
Unter der rot-grünen Bundesregierung ist bereits das Herstellen, die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt worden.
Der Kampf gegen Kinderpornografie hat viele Facetten, die sich ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können.
Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb ein wichtiges Thema. Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden.
Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann.
Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren.
Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Mir ist bekannt und Sie sprechen es an, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen. Die Medienexpertin Dr. Korinna Kuhnen hat in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestags am 27. Mai darauf hingewiesen, dass die Maßnahme besonders bei solchen Tätern oder künftigen Tätern Sinn haben könnte, die quasi über das World Wide Web den Einstieg suchen. Hier mit der Stoppseite präventiv gegenzusteuern, halte ich daher für einen gangbaren Weg.
Die Aufnahme in die Sperrliste des Bundeskriminalamt erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben. Hier gilt der Grundsatz "Löschen vor Sperren". Im Gesetz ist die Forderung nach mehr Transparenz aufgenommen worden und die Bildung eines unabhängigen Expertengremiums beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit etabliert worden. Judikative und exekutive Gewalt befinden sich somit nicht in einer Hand:
Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das BKA den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.
Wie bereits erwähnt, dient das Gesetz ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen. Mit einem "Fehlklick", wie Sie schreiben, wird man also nicht als Krimineller abgestempelt.
Leider wird in der öffentlichen Debatte selten erwähnt, dass sich die technische Infrastruktur für Internetsperren bereits im Aufbau befindet. Durch die rechtlich fragwürdigen Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Service-Providern in Deutschland werden diese bereits verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen. Damit ist der Endkundenmarkt in Deutschland weitgehend abgedeckt. Nach meinen Informationen würden diese Verträge auch dann umgesetzt, wenn es kein Gesetz gäbe.
Mit der neuen gesetzlichen Regelung werden also nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet bekämpft, sondern zugleich Internetnutzer geschützt, rechtsstaatliche Grundsätze gesichert und ein transparentes Verfahren ermöglicht.
Das Kinderpornografiebekämpfungsgesetz regelt eindeutig nur die Zulässigkeit von Sperren bei Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Die SPD konnte am Ende durchsetzen, dass die wesentlichen Regelungen in einem Spezialgesetz normiert werden. Angesichts mancher Äußerungen von Unions-Politikern in den letzten Wochen, die Internetsperren auch auf andere Inhalte auszuweiten, sei dies abschließend erwähnt. Solange die SPD an der Regierung ist, ist für solche Zensurträume kein Platz. Die weitere Entwicklung wird sicher kritisch zu beobachten sein.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup