Bernd Rützel
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Frage von Lisa P. •

Warum werden Urlaubstage für Angestellte während einer langfristigen Erkrankung gewährt?

Sehr geehrter Herr Rützel,

mir stellt sich eine sehr spezifische Frage zu einem Gesetz im Bereich Urlaubsansprüche von Arbeitnehmer. Natürlich gründet dies in Erfahrungen, die ich (wir als Unternehmen) machen mussten.

Mir ergibt sich kein Sinn, warum ein Arbeitsnehmer Urlaubsanspruch während einer langfristigen Erkrankung (78 Wochen) hat und dies nicht auf 6 Wochen zzgl vorher erarbeitete Erholungsurlaub beschränkt ist. Aber wir haben schon mehrere Fälle gehabt, da sind unglücklicherweise unsere MA schwer erkrankt, sodass hier die Beschäftigung zum Ende sogar beendet wurde (Tod und Rente), trotzdem mussten wir Urlaubsansprüche der letzten 1,5J (trotz kompletter Abwesendheit) bezahlen. Das finde ich gründet nicht im Prinzip "Erholung von der Arbeit". Warum gibt es diese Regelung?

Bernd Rützel
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau P.

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich halte es für richtig, dass es auch während lange andauernder Erkrankungen einen Urlaubsanspruch gibt. Das folgt der Logik, dass sich Urlaub und Arbeitsunfähigkeit gegenseitig ausschließen.

Sind Beschäftigte länger erkrankt und können deswegen ihren Urlaub im restlichen Kalenderjahr - und im Übertragungszeitraum des Folgejahres - nicht mehr nehmen, verfallen die Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Das entspricht der europarechtskonformen Auslegung des deutschen Urlaubsrechts durch das BAG.

Der Hintergrund ist das Schultz-Hoff-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.01.2009. Der EuGH hat damals die bisherige BAG-Rechtsprechung zum Thema Urlaub und Krankheit gekippt, weil sie europarechtswidrig war. Denn Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richt­li­nie 2003/88/EG) schreibt für alle Arbeitnehmer einen vierwöchigen Mindesturlaubsanspruch vor, und zwar ohne Einschränkungen. Dieser europarechtlich vorgesehene Mindesturlaubsanspruch würde, so der EuGH, nicht respektiert bzw. konsequent umgesetzt, wenn erkrankte Arbeitnehmer nach nationalen Rechtsvorschriften ihren Urlaubsanspruch verlieren würden.

Eine wesentliche Folge des Schultz-Hoff-Urteils besteht darin, dass Arbeitnehmer, die nach langjähriger Krankheit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, eine Urlaubsabgeltung für die gesamte Zeit der krankheitsbedingten Abwesenheit verlangen können, d.h. genauer gesagt für die Zeiten, für die sie einen Urlaubsanspruch erworben haben, den sie aber infolge der Krankheit nicht nehmen konnten.

Dieses Recht hatten sie nach dem Schultz-Hoff-Urteil zunächst unbegrenzt, doch hat der EuGH dieses Ur­teil später wieder eingeschränkt, nämlich durch Urteil vom 22.11.2011.

In Verbindung mit der Auslegung des BAG gilt daher in Deutschland jetzt die Grenze von 15 Monaten nach dem Jahr, in dem die Urlaubansprüche angefallen sind.

Diese Regelung begründet sich also aus dem EU-Recht.

 

Freundliche Grüße

Bernd Rützel

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