Frage an Bernd Neumann von Hildegund M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Neumann,
Sie sind Kandidat/in für die Bundestagswahl in unserem Wahlbezirk. Um uns bei einer Wahlentscheidung zu helfen, bitte ich Sie folgende Fragen zu beantworten:
1. Abschaffung aller Atomwaffen
* Wie stehen Sie zur Frage der US-Atomwaffen in Deutschland und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands? Welchen Sinn haben diese Waffen aus Ihrer Sicht nach dem Ende des Kalten Kriegs?
* Wird Ihre Partei im Falle von Koalitionsverhandlungen den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland im Koalitionsvertrag festschreiben?
2. Ausstieg aus der Atomenergie/Erneuerbare Energien
* Wird Ihre Partei den Atomausstieg nach dem derzeit geltenden Atomgesetz fortsetzen?
* Werden Sie sich dafür einsetzen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so fortzuschreiben, dass insbesondere der dezentrale Ausbau der Photovoltaik und der Windenergie "in Bürgerhand" beschleunigt wird?
3. Beendigung des Afghanistan-Krieges
* Würden Sie Ende des Jahres für oder gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan stimmen?
* Angesichts der Lage in Afghanistan, wie stehen Sie zur zivil-militärischen Zusammenarbeit (CIMIC)?
4. Schutz von Flüchtlingen und Bekämpfung von Flucht-Ursachen
* Wie stehen Sie zu einem Bleiberecht für besonders schutzbedürftige, traumatisierte Flüchtlinge?
* Wo sehen Sie Deutschland in der Verantwortung für wichtige Flucht-Ursachen (Krieg, Verelendung, Umweltzerstörung) und was wollen Sie als Abgeordnete/r diesbezüglich tun?
Mit freundlichen Grüßen,
Dr.med. Hildegund Mikoteit
für die Regionalgruppe Bremen der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)
Sehr geehrte Frau Dr. Mikoteit,
gerne möchte ich Ihre Fragen beantworten.
1. Abschaffung aller Atomwaffen
Antwort: Für die nahe Zukunft wird eine glaubhafte Abschreckungsfähigkeit der NATO neben konventioneller weiterhin auch nuklearer Mittel bedürfen. Der Sinn und Zweck der nuklearen Streitkräfte ist politischer Art: Wahrung des Friedens, Verhinderung von Zwang und jeglicher Art von Krieg.
Die NATO setzt seit jeher zum Schutz des Bündnisses auch auf die Wirkung der Abschreckung von Nuklearstreitkräften. Das steht im Einklang mit dem Völkerrecht und hat übrigens ganz wesentlich zur erfolgreichen Friedenssicherung durch das Nordatlantische Bündnis beigetragen. Wie die NATO-Partner insgesamt geht auch die Bundesregierung davon aus, dass das für eine glaubwürdige Abschreckung auf Dauer vielleicht nicht sein muss.
Zurzeit sehe ich keine Perspektive, die in absehbarer Zeit eine Änderung dieser Strategie möglich macht. Die nukleare Teilhabe verschafft Deutschland jedoch nicht nur ein größeres Maß an Sicherheit, es erhält der Bundesrepublik ihr Mitspracherecht, bezüglich des Einsatzes des Nuklearpotenzials der Allianz, innerhalb der zuständigen Gremien der NATO.
Das Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung ist jedoch auch aufs Engste verbunden mit den Anstrengungen zur weiteren Abrüstung, und zur Stärkung der Rüstungskontrollen. Wir wollen den Nichtverbreitungsvertrag weiter stärken, damit das im Vertrag formulierte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt vorangebracht werden kann.
2. Ausstieg aus der Atomenergie/Erneuerbare Energien
Antwort: Auf absehbare Zeit können wir auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland nicht verzichten. Sie ermöglicht es, den Zeitraum zu überbrücken, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Ernergieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind, was ich sehr unterstütze. Im Rahmen unserer Klimaschutzstrategie streben wir eine Laufzeitverlängerung von sicheren Kernkraftwerken an. Für uns ist dabei vorrangig, das größtmögliche Sicherheitsniveau jeder Anlage zu gewährleisten. Genau so gehören das Einsparen von Energie, die Erhöhung der Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien zu den tragenden Säulen unserer Politik für den Klimaschutz. Wir treten dafür ein, die Energievorräte sparsamer zu nutzen, den Ausbau der heimischen erneuerbaren Energiequellen zu beschleunigen und effizientere Erzeugungstechnologien zu entwickeln. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz betreffend, haben wir bereits in der laufenden Legislatur Schritte unternommen, um die Förderung zielgenauer zu gestalten. Beim Ausbau der Kapazitäten bei Windenergie und Photovoltaik setzen wir auch weiterhin, neben dem öffentlichen Engagement, auf private Initiativen.
3. Beendigung des Afghanistan-Krieges
Antwort: Was die Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan angeht, so stelle ich mich gegen die Forderung, nach einem sofortigen Rückzug. Ein Rückzug der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt würde lediglich dazu führen, alle Fortschritte, die bisher gemacht worden sind, in Frage zu stellen. Auch die Sicherheit in Deutschland ist direkt vom Erfolg der Afghanistan-Mission abhängig. Im Falle eines Endes des Engagements der internationalen Streitkräfte würde das Land innerhalb kürzester Zeit wieder zu einer Ausbildungsstätte für Terroristen werden, wodurch auch für die deutsche Bevölkerung eine direkte Bedrohung bestünde. Ein Rückzug aus Afghanistan schützt Deutschland nicht vor Terroranschlägen, wie manche behaupten. Wir erkaufen uns bestenfalls das kurzfristige Wohlwollen von jenen Fanatikern, die die Werte unserer Gesellschaft ohnehin als dekadent und schwach verachten. Viel dramatischer wären jedoch die Auswirkungen in Afghanistan selbst. Durch einen Rückzug würden wir alle Afghanen im Stich lassen, die sich keine Rückkehr in das Mittelalter und zu den Gewaltorgien der Taliban wünschen. Deutschlands Glaubwürdigkeit als Schützer seiner Bürger - aber auch als ehrlicher Vertreter humanitärer Grundwerte - stünde zur Disposition, wenn wir uns im Angesicht solcher Perspektiven unserer Verantwortung entziehen würden. Die "Civil Military Cooperation" ist daher ein absolut sinnvolles und notwendiges Element des Engagements der Bundeswehr in Afghanistan. Ohne das Vertrauen und Wohlwollen der afghanischen Bevölkerung wäre es unmöglich, das Land nachhaltig wieder aufzubauen und zu stabilisieren.
4. Schutz von Flüchtlingen und Bekämpfung von Flucht-Ursachen
Antwort: Grundsätzlich gilt es zu helfen, wo Hilfe benötigt wird. Es muss jedoch, was die Frage des Bleiberechts angeht, im Einzelfall geprüft und entschieden werden, ob die Bedingungen für eine Aufnahme gegeben sind.
Allgemein liegt es im deutschen Interesse, mitzuwirken, wenn es um die Bewältigung der Entwicklungsprobleme vieler Länder, wie Armut, Unterentwicklung, Menschenrechtsverletzungen, Seuchen, Umweltzerstörung, Kriege, Terrorismus und Staatszerfall geht. Unsere Entwicklungspolitik der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ruht auf drei Säulen: Erstens der Verantwortung gegenüber jenen Menschen, die am stärksten unter der Armut leiden, sowie der Verantwortung gegenüber unserer Umwelt und der Natur. Zweitens der Abwehr von Risiken und drittens der Stärkung unserer politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Partnerschaften. Eine gleichberechtigte Entwicklungspartnerschaft bedeutet für uns, dass wir eigene Reforminitiativen stärken und Mitverantwortung der Entwicklungsländer einfordern.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Neumann, MdB