Frage an Bernd Neumann von Linda B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Neumann,
ist diese Aussage von Ihnen korrekt, die wie folgt in der "Berliner Woche" stand: " Es macht mich immer noch wütend, wenn Menschen das System der DDR verherrlichen" ?
Was ist bei Ihnen "das System DDR"?
Ich bin in dem Staat groß geworden, habe das Land noch vor dem Mauerfall inoffiziell verlassen und bin vor 10 Jahren wieder nach Berlin (Ost) zurückgekehrt.
Warum? -
Vielleicht gibt Ihnen folgender Artikel Aufschluss:
http://www.bild.de/unterhaltung/leute/schlecht/spricht-ueber-die-vorteile-der-ddr-6265058.bild.html
Vieles, was es im System DDR bereits gab, wird heute von der BRD mühselig neu geschaffen und als eigene "Erfindung" propagiert: Ganztagsschulen, kostenlose Kindergärten, Schule, medizinische Betreuung, Polikliniken, einheitliches Bildungssytem - vernünftiger Umgang mit Recycling - das hatte das "System DDR" alles schon :-)
Vielleicht könnten Sie künftig etwas feinfühliger sein.
Mit freundlichen Grüßen
Linda Bölke
Sehr geehrte Frau Bölke,
für Ihr Schreiben als Reaktion auf meine Aussage „Es macht mich immer noch wütend, wenn Menschen das System DDR verherrlichen“ danke ich Ihnen. Gern möchte ich Ihnen hierauf antworten.
Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich mit meiner klaren Aussage zur Einordnung der DDR als „System“ und Unrechtsstaat nicht die (Lebens-)Leistung der einzelnen Bürgerinnen und Bürger in der DDR kritisieren oder gar abwerten möchte. Natürlich wurde auch in der DDR - teilweise unter schwersten Bedingungen - Beachtliches geleistet und ebenso selbstverständlich ist es, dass auch in der DDR glückliche Momente erlebbar waren. Nicht zuletzt war es die Leistung der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR, die durch die gewaltlose Revolution 1989 die glückliche Wiedervereinigung beider Deutschland überhaupt erst möglich gemacht hat.
Genauso ist es auch selbstverständlich, dass es in der DDR gesellschaftliche Errungenschaften gab, die sicherlich für sich alleine genommen positiv waren. Mir geht es aber darum, dass trotz der individuellen, auch in Teilen positiven Erfahrungen des einzelnen Bürgers nicht die DDR als Ganzes aus den Augen verloren wird. Mit meiner Aussage zum „System DDR“ wende ich mich gegen die Verklärung eines Staates, der es sich zum System gemacht hat, Grund- und Menschenrechte systematisch zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger zu verletzten und zu missachten. Es gab weder echte Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, noch Reise- oder Wahlfreiheit. Es gab keine wirkliche Gewaltenteilung, keine politisch unabhängigen Gerichte und keine demokratisch legitimierte Regierung. Dies alles war systemimmanenter Bestandteil der DDR und dies darf nicht vergessen oder beschönigt werden.
Die Unterscheidung dieser beiden Ebenen - die persönliche und die staatliche - ist meines Erachtens für die weitere Debatte, aber auch für das gegenseitige Verständnis von Ost- und Westdeutschen fundamental. Zu rasch fließen negative Erfahrungen aus der Zeit nach der Wiedervereinigung und noch bestehende gegenseitige Vorurteile hier zu Lasten einer sachlichen Bewertung des „Systems DDR“ mit ein. Es sollte aber - 20 Jahre nach der Wiedervereinigung - möglich sein, eine objektive Bewertung zuzulassen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Neumann, MdB
Staatsminister
für Kultur u. Medien