Frage an Benjamin Strasser von Sami A. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Strasser,
ich konnte in den vergangenen Jahren leidliche Erfahrungen an bayerischen Gerichten (FG Amberg und OLG Nürnberg) sammeln. Als Bürger Baden-Württembergs interessiert mich Ihre Haltung zu Gutachten in familienrechtlichen Angelegenheiten besonders.
Gutachter werden in familienrechtlichen Fällen von Richtern direkt beauftragt. Daß es das Wort “Gefälligkeitsgutachten” gibt, ist dabei sicherlich kein Zufall. Man könnte zu der Auffassung kommen, daß es sich in vielen Fällen gar um ein symbiotisches Verhältnis zwischen Richtern und Gutachtern handelt. Daß viele Richter immer wieder dieselben Gutachter beauftragen, könnte man hierfür als Indiz betrachten.
Neben der Beauftragung von Gutachtern ist auch die Qualität der meisten Gutachten höchst fragwürdig. So hat eine Studie von Prof. Dr. Werner Leitner ergeben, daß die überwiegende Mehrheit der Gutachten nicht die Mindestvoraussetzungen an Gutachten in familienrechtlichen Verfahren erfüllen. In meinem Fall wollten die Richter am OLG Nürnberg kein Gegengutachten zulassen, weil man die Gutachterin ja kenne und sie laut dem vorsitzenden Richter gute Arbeit leiste (wie er zu dieser Einschätzung kam, bleibt mir ein Rätsel). Im Nachgang an das Verfahren habe ich das Gutachten an den o.g. Prof. Dr. Leitner geschickt, der das Gutachten als höchst mangelhaft eingestuft hat.
Bereits im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode war das Thema Gutachten in familiengerichtlichen Verfahren ein Thema, so hieß es:
“[...] die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern” (S.154).
Warum gibt es keine zentrale Stelle die sich um die Vergabe von Aufträgen für Gutachten kümmert und die Gutachten regelmäßig Qualitätskontrollen unterzieht? Würden Sie sich dafür einsetzen, daß so eine Stelle geschaffen wird? Damit würde man ausschließen, daß Richter nur ihnen gefällige Gutachter beauftragen und gleichzeitig würde man die Qualität sichern.
Mit freundlichen Grüßen,
S. A.
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne noch beantworten möchte. Für die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag steht bei allen familienpolitischen bzw. -rechtlichen Fragestellungen das Kindeswohl im Fokus. Wie auch meine Fraktionskollegen halte ich einen Paradigmenwechsel im Familienrecht für notwendig. Wir müssen weg von "einer betreut, einer bezahlt" hin zu einem "getrennt gemeinsam erziehen". In diesem Zusammenhang sehen wir neben den rechtlichen Normen auch einen Reformbedarf bei weiteren bestehenden Regelungen - beispielsweise bei der Auswahl von Gutachten oder Verfahrensbeiständen. Dazu gehört für uns Unabhängigkeit und eine entsprechende Qualifikation. Mein Kollege Daniel Föst MdB befasst sich mit diesem Problemfeld und setzt sich im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für diesen Themenkomplex ein.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Strasser MdB