Frage an Bela Bach von Per G. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrte Frau Bach, wie kann Deutschland reagieren angesichts der Massenproteste in Belarus gegen Präsident Lukaschenko, wenn mit Militär gegen Demonstranten vorgegangen wird. Kann unsere Bundeskanzlerin Merkel beim UN Tribunal in Den Haag gegen Kriegsverbrecher intervenieren und dort eine Anklage erwirken? Oder muss Lukaschenko erst den Kriegszustand in Belarus erklären, bevor das möglich ist, das UN Tribunal in Den Haag anzurufen?
Oder kann Deutschland angesichts von Folter und Gewalt gegen Demonstranten in Belarus den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen? Was kann Deutschland tun zur Unterstützung der Demonstranten in Belarus? Kann die OSZE eingebunden werden, um Verhandlungen zu erwirken zwischen Herrn Lukaschenko und der unterlegenen Kandidatin, die im Exil im Litauen ist, Frau Tichanowskaja, um den Konflikt friedlich zu lösen und zu Neuwahlen in Belarus zu kommen?
Vielen Dank vorab für Ihre Antworten.
Freundliche Grüße P. G.
Sehr geehrter Herr G.,
die innenpolitische Krise der letzten Monate hat Belarus grundlegend verändert: Das alte System bröckelt - und ein neues Belarus kommt zum Vorschein. Diesem Belarus wollen wir mit unserer Politik zum Durchbruch verhelfen.
Auch wenn die Proteste jetzt im Winter nachgelassen haben: Seit Anfang August gehen Woche für Woche mutige Frauen und Männer auf die Straße - in Minsk, in Grodno, in Brest und in vielen anderen Städten des Landes.
Sie demonstrieren für Demokratie und sie tun das gewaltfrei. Sie fordern, dass ihre Stimmen gehört werden - und zwar in freien und fairen Wahlen, und haben dafür unsere Unterstützung.
Auf der anderen Seite gibt es leider auch noch das alte Belarus, mit dem wir es weiterhin zu tun haben: Sicherheitskräfte, die Demonstrantinnen und Demonstranten einschüchtern, prügeln und verhaften. Ein Staatsapparat, der kritische Journalistinnen und streikende Arbeiter auf die Straße setzt und protestierende Studierende exmatrikuliert.
An der Spitze steht mit Alexander Lukaschenko nach wie vor ein Mann, der den Dialog verweigert und Tausende unschuldiger Menschen in diesem Land ins Gefängnis steckt.
Seit der Wahl im August zählen wir über 30.000 Festnahmen, 1.000 Strafverfahren, weit über 100 politische Gefangene und auch Tote. Dennoch hat es bisher kein einziges Strafverfahren gegen die Mitglieder der Sicherheitskräfte gegeben.
Weil Lukaschenko und seine Machtclique weiter auf Schlagstöcke statt ernsthaften nationalen Dialog setzen, haben wir in der Europäischen Union nicht nur Sanktionen verhängt, sondern wir haben sie weiterentwickelt und mittlerweile auch verschärft: Wenn Lukaschenko weiterhin nicht einlenken sollte, dann werden diese Sanktionen auch weiter Stück für Stück ausgeweitet. Dazu hat sich die EU entschlossen.
Dabei ist wichtig: Mit den Sanktionen wird direkt auf die Stützen des Lukaschenko-Regimes gezielt. Deutschland berät derzeit mit seinen Partnern, wie die gerichtsfesten Belege von Menschenrechtsverletzungen, die es Tag für Tag gibt, erfasst werden können, damit die Straftäter anschließend strafrechtlich verfolgt werden können.
Wir fordern Belarus auf, sich an seine OSZE-Verpflichtungen zu halten. Ein Aufruf, Verstöße gegen Menschen- und Freiheitsrechte zu unterbinden und aufzuklären, ist keine Einmischung in innere Angelegenheiten. Für deren Einhaltung hat sich Belarus selbst in OSZE-Grundsatzdokumenten verbürgt. Es ist vielmehr die Pflicht eines jeden OSZE-Teilnehmerstaates, einen Bruch dieser Verpflichtungen auch als solchen zu benennen und daran mitzuwirken, diesen auch zu beenden.
Zudem verstärkt Deutschland seine Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft - bilateral, aber auch über die Kanäle der EU. Wir fördern Projekte zur Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten. Wir wollen nicht hinnehmen, dass Lukaschenko die belarussische Zivilgesellschaft weiter niederknüppeln lässt.
Deutschland und Belarus verbindet bedauerlicherweise eine dunkle Geschichte. Keine Region hat im Nazi-Vernichtungskrieg in Osteuropa einen höheren Blutzoll gezahlt, als die sogenannten "bloodlands", in denen auch die heutige Republik Belarus liegt.
In den vergangenen Jahren konnten wir Brücken bauen zwischen den Menschen beider Länder. Es ist wichtig, dass es einen engen Austausch gibt, denn es geht am Ende auch um nichts anderes als die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten: für ein neues Belarus.
____________________________________
Büro MdB Bela Bach