Frage an Bela Bach von Robert D. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Bach,
als Volksvertreter auf der Liste der SPD würde es mich aufgrund der bevorstehenden Wahlen sehr interessieren, wie Sie speziell und die SPD im allgemeinen zur Gestaltung einer neuen Weltordnung stehen?
In Erwartung Ihrer zeitnahen Ausführungen verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Robert Dobner
Sehr geehrter Herr Dobner,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16. Mai 2021, in der Sie mich insbesondere um eine Stellungnahme bezüglich der Vision der SPD-Bundestagsfraktion, deren Mitglied ich bin, zur Rolle Deutschlands und Europas in der Welt bitten.
Als die Friedenspartei in Deutschland setzen wir auf Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung, auf Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie internationale Zusammenarbeit. Wir werden multilaterales Handeln wiederbeleben und stärken, auch in Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen, denn Pandemien, globale Wirtschaft-, Finanz- und Entwicklungskrisen sowie die Folgen der Erderwärmung sind Herausforderung, die nur gemeinsam gelöst werden können.
Dass man große Herausforderungen nur gemeinsam souverän meistern kann, hat uns die Corona-Pandemie aktuell erneut gezeigt. Wir werden aus der Krise gestärkt hervorgehen, wenn wir in Europa solidarisch zusammenhalten und die EU für die großen Zukunftsaufgaben robuster und handlungsfähiger machen. Wir setzen uns dafür ein, dass aus dem Wiederaufbaufonds und der in der Krise gestärkten europäischen Solidarität ein dauerhafter Integrationsfortschritt wird. Wir werden innere Handlungsblockaden der EU abbauen und die äußere Handlungsautonomie fortentwickeln. Wir wollen keine Rückkehr zur Kürzungspolitik der Vergangenheit, sondern die gemeinsame Investitionspolitik Europas, die sich während der Corona-Pandemie entwickelt hat, beibehalten. Eine krisenfeste EU muss fiskalpolitisch handlungsfähig sein und sich zu einer echten Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickeln. Denn nur mit einer solidarischen und souveränen EU sind wir in der Lage, die Welt von morgen mitzugestalten und unserer Vision einer demokratischen, gerechten und nachhaltigen Zukunft näher zu kommen.
Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar. Parallel dazu muss die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden. Mehr Eigenständigkeit setzt höhere Handlungsfähigkeit voraus. Grundlegend dafür ist die Einführung von Mehrheitsentscheiden in der Außenpolitik – statt des jetzigen Einstimmigkeitsprinzips. Auch das Amt des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sollte langfristig zu einem EU-Außenminister weiterentwickelt werden. Unser Ziel bleibt eine europäische Armee als Teil der Friedensmacht Europa. Durch die Bündelung europäischer Rüstungskooperation nutzen wir Synergien und sparen unnötige Mehrausgaben ein.
Wir fordern, dass Europa souverän neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen für den europäischen Kontinent entwickelt, um frühzeitig auf die Risiken neuer Technologien und gefährliche Entwicklungen im Cyberbereich oder im Weltraum reagieren zu können. Die Ächtung autonomer tödlicher Waffensysteme bleibt unser Ziel. Für uns ist weiterhin eine restriktive Rüstungsexportpolitik zentral. Wir fordern ein Rüstungsexportgesetz, dass die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter in Staaten außerhalb von EU-, NATO- und denen gleichgestellten Ländern weiter eingeschränkt, die Kontrolle über den endgültigen Verbleib der Waffen ausgeweitet und absolute Ausnahmen nur im begründeten Einzelfall möglich sein werden – öffentlich nachvollziehbar dokumentiert. Auch mit unseren europäischen Partnern werden wir eine Verschärfung der EU-Rüstungsexportvereinbarungen abstimmen. Für Staaten, die weder Mitglied der EU noch der NATO sind, ist eine Ratifizierung des Vertrags über Waffenhandel (ATT) und dessen konsequente Umsetzung zwingende Voraussetzung für jede Form der Rüstungskooperation.
Die Nachbarschaft Europas im Süden wie im Osten ist durch Krisen sowie durch die wachsende Einflussnahme anderer Staaten geprägt. Diese Herausforderungen muss die EU durch eine konzeptionell neu ausgerichtete europäische Nachbarschaftspolitik angehen. Basierend auf den Werten und Prinzipien der OSZE verfolgen wir das Ziel einer neuen europäischen Ostpolitik, die den Fokus auf eine gemeinsame und kohärente EU-Politik gegenüber Russland legt. Eine konstruktive Dialogbereitschaft seitens Russlands ist Voraussetzung, um am Abbau von Spannungen zu arbeiten. Dazu zählt auch, dass der Weg zu einer friedlichen Lösung des Ukrainekonflikts und damit einhergehend die Beendigung der Sanktionen maßgeblich von der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen abhängt.
Die wachsende Bedeutung Chinas in der Welt hat zur Folge, dass eine globale Antwort auf die ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum ohne Peking vorstellbar ist. Interessens- und Wertekonflikte mit China nehmen zu. Europa muss den Dialog mit China über Kooperation und Wettbewerb geschlossen, konstruktiv und kritisch führen. Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, insbesondere uigurischen Muslimen, verurteilen wir. Für Honkong muss das international verbriefte Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ gewahrt bleiben. Wir betrachten mit großer Sorge den wachsenden Druck auf Taiwan. In Bezug auf China ist noch darauf hinzuweisen, dass das Land stärker als bisher bei allen Bemühungen zur Abrüstung einbezogen werden muss.
Bei der Entschärfung internationaler Krisen und der Vermittlung von Frieden nimmt Deutschland schon jetzt eine weltweite Führungsrolle ein. Das werden wir weiter ausbauen, indem wir das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) stärken und ein hochprofessionelles Team von Friedensemissären für das Führen von Verhandlungen aufbauen. Unserer Überzeugung nach sind Friedensprozesse nur dann nachhaltig, wenn die Belange und Interessen von Frauen stärker berücksichtigt und wenn sie an Aushandlungsprozessen beteiligt werden. In diesem Zusammenhang fordern wir, dass die VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ konsequent umgesetzt und weiterentwickelt wird. Auch die VN-Frauenrechtskonvention muss konsequent angewandt werden. Es gilt auf allen Ebenen der Anti-Gender-Bewegung entgegenzutreten. Zur Sicherung der Sicherheit und des Friedens leistet ferner die Bundeswehr einen verantwortungsvollen Beitrag. Wir stehen für den bestmöglichen Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten. Dazu gehört auch der Einsatz von Drohnen. Die Entscheidung, ob diese auch bewaffnet werden sollen, kann verantwortbar erst nach einer umfassenden politischen und gesellschaftlichen Debatte und der sorgfältigen Würdigung aller Aspekte getroffen werden.
Unser Ziel ist es ein stabiles, faires und demokratisches Handelssystem in einer globalisierten Welt zu etablieren. Gute Arbeit und eine intakte Umwelt weltweit stärken gehört zur Kernaufgabe sozialdemokratischer Politik. Wir tun das, indem wir von Unternehmen weltweit die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten fordern. Es ist ein großer Erfolg der SPD, dass ein nationales Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht werden konnte. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dieses konsequent weiterzuentwickeln. Nun wollen wir auch ein Gesetz zur Rückverfolgung auf dem Weltmarkt gehandelter Güter auf europäischer Ebene verankern, mit verbindlichen und sanktionsbewehrten Regeln, Zugang zu Gerichten in Europa und Entschädigung der Opfer. Wir unterstützen ein VN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten, um Globalisierung im Sinne der Menschenrechte zu gestalten.
Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Pandemie nur durch internationale Solidarität überwunden werden kann. Die Krise ist erst vorbei, wenn es global genügend Impfstoff gibt. Wir setzen uns daher für die finanzielle und substanzielle Förderung der globalen Corona-Impfkampagne der Weltgesundheitsorganisation (COVAX) ein. Dabei liegen unsere Schwerpunkte auf dem Aus- und Aufbau öffentlicher Gesundheitssysteme, der Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln und Impfstoffen, mehr Transparenz sowie auf der gesundheitlichen Bildung und damit einhergehend auf der Stärkung sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte. Wir arbeiten auch daran, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO durch einen mutigen Reformprozess gestärkt wird.
Abschließend möchte ich Sie gerne noch dazu einladen, sich „ Das Zukunftsprogramm“ der SPD für die diesjährige Bundestagswahl näher anzuschauen. Dieses bietet einen vollumfänglichen Überblick über die Ziele der SPD, der im Rahmen dieser Stellungnahme so nicht gewährleistet werden kann. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Stellungnahme weiterhelfen und bedanke mich für das von Ihnen gegenüber der Partei und mir entgegengebrachte Vertrauen.