Frage an Bela Bach von Gudrun K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Frau Bach,
Wie sehen Sie die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen?
Morgen findet dazu eine Anhörung im Petitionsausschuss statt. Ich werde mit meinen Kindern am Bildschirm die Anhörung verfolgen.
Ich bin seit Jahren auf der Suche nach einem besseren Sozialstaat, einem, der die neuen Herausforderungen, wie Digitalisierung und alternde Gesellschaften besser beantworten kann. Dabei ist für mich - und mittlerweile sehr viele Menschen - das Bedingungslose Grundeinkommen die richtige Lösung. Als Ökonomin habe ich mich bereits ausführlich mit der Finanzierung und den möglichen Effekten auf Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt. Ich bin mittlerweile fest überzeugt, dass ein BGE die beste Lösung ist.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch in der SPD eine gründliche Debatte über einen modernen Sozialstaat geführt wird?
Es kommt auf neue Antworten an, nicht die Rückwärtsrolle. Hartz4 ist Mist, BGE ist für alle Mitglieder der Gesellschaft gut. Gerade und besonders für die weniger privilegierten Menschen.
Es wäre schade, dieses wichtige Zukunftsthema anderen Parteien zu überlassen.
Gerade das BGE gibt dem kleinen Mann/ der kleinen Frau Verhandlungsmacht und stärkt die Chancengerechtigkeit. Wenn das kein Thema für GenossInnen ist, sind die schlechten Zahlen der SPD leider verdient...
Mit solidarischen Grüßen
G. K.
Sehr geehrte Frau Kaufmann,
ich sehe es wie sie: Wir brauchen einen besseren Sozialstaat, der die Herausforderungen unserer modernen, verstärkt technisierten Zeit aufnimmt. Die Debatte über das Grundeinkommen ist richtig. Umbrüche in der Arbeitswelt, Digitalisierung, Arbeitsverdichtung und eine große Sehnsucht nach einer neuen Balance von Arbeit und Freizeit sind Themen, der sich die Politik annehmen und Antworten geben muss.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen hört sich auf den ersten Blick gut an, ist aber derzeit noch keine machbare Lösung: Es ist schlicht unbezahlbar. Das würde sogar viele Errungenschaften des Sozialstaates, wie die Renten- oder die Arbeitslosenversicherung, gefährden. Die SPD möchte nicht nach dem Gießkannenprinzip den Sozialstaat ausbluten, sondern ihn dort stärken, wo er gebraucht wird.
Der Ansatz der SPD sieht daher so aus, wie unser Kanzlerkandidat Olaf Scholz es bereits im Sommer sagte: Statt des Grundeinkommens muss es einen deutlich höheren Mindestlohn geben. Wir wollen mehr Freiheit für Beschäftigte, mehr Erholung, mehr Chancen auf Weiterbildung und Neuorientierung. Dies wird bereits im kommenden Jahr umgesetzt, indem der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland bis zum 1. Juli 2022 in vier Stufen von derzeit 9,35 Euro auf 10,45 Euro steigen wird.
Ich stehe auch hinter dem Vorschlag unseres Generalsekretärs Lars Klingbeil, der vom Grundeinkommensjahr spricht, mit dem wir die Freiheit des Grundeinkommens mit der Wertschätzung für Arbeit verbinden können. Die Idee hinter dem Grundeinkommensjahr ist, für ein Jahr Arbeit den Anspruch auf einen Monat Grundeinkommen in Höhe von 1000 Euro zu bieten. Wer also 6 Jahre gearbeitet hat, hat Anspruch auf ein halbes Jahr Grundeinkommen, nach 12 Jahren gibt es einen Anspruch auf ein ganzes Jahr Grundeinkommen. Das ist einfach. Das gilt für alle. Und es hat vor allem den großen Vorteil, dass es ist finanzierbar und damit machbar ist.
Die große Aufgabe sozialdemokratischer Politik muss es sein, Veränderungen im Sozialstaat so zu gestalten, dass sie allen Beschäftigten nützen. Die Arbeitswelt verändert sich massiv: Es gibt Berufe, die es immer geben wird und Berufe, die nicht dauerhaft bestehen bleiben. Daran muss sich auch die Sozialpolitik orientieren und eine angemessene Lösung für die Bürger und deren Einkommen finden. Es gibt nicht die eine, ausschließliche Antwort auf die Fragen der Zukunft, sondern wir müssen in den verschiedenen Bereichen ansetzen: in der Schule, in der Ausbildung, an Universitäten, in der Tarifpolitik, in den Unternehmen und in der Art und Weise, wie unser Sozialstaat funktioniert. Die SPD diskutiert zum Beispiel gerade darüber, wie Sie es auch zu Recht erwarten, wie die Nachfolgeregelung zu Hartz IV aussehen kann.
Ich erlebe als Abgeordnete, welche Bedeutung vor allem Zeit hat: Zeit zum Erholen, Zeit für die Familie, Zeit zur Neuorientierung, Zeit, um sich zu engagieren und innovative Ideen weiterzuverfolgen. Viele Menschen glauben, das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht genau dies. Wir dürfen aber die Bedeutung von Arbeit nicht vergessen. Gerade in Corona-Zeit haben wir erlebt, wie wir Arbeit auch vermissen können. Sie bringt uns mit anderen Menschen zusammen, lässt uns erfahren, dass Kooperation bessere Ergebnisse und Freude bringt, dass sie eine wichtige Quelle von Anerkennung und Sinn ist und es Spaß macht, produktiv zu sein. Die Wertschätzung von Arbeit prägt die Sicht der SPD auf die Idee des Grundeinkommens: Es soll zur Verbesserung der Arbeitswelt beitragen, Freiräume ermöglichen, die selbstbestimmt und ohne staatliche Vorgaben genutzt werden können. Ziel ist es, selbstbestimmte und gute Arbeit so zu fördern und zu honorieren, dass möglichst viele Menschen gerne zur Arbeit gehen.
Das kann zum einen durch einen höheren Mindestlohn realisiert werden, womit die Arbeit angemessen entlohnt wird und mehr Flexibilität durch ein höheres Einkommen bietet. Oder mit der Idee unseres Generalsekretärs, in der Arbeitsleistung durch gewährten Freizeitausgleich honoriert wird.
In diesem Sinn wünsche ich ein erfolgreiches Jahr 2021, das Zeit für Selbstbestimmung und Eigeninitiative lässt.
Mit freundlichen Grüßen
Bela Bach MdB