Wie ist Ihre Meinung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und wie werden Sie abstimmen?
Sehr geehrter Herr D.,
beim Thema Impfpflicht gibt es für mich keine einfache und schnelle Antwort und das Für und Wider muss sehr ernsthaft gegeneinander abgewogen werden. Denn eine Impfpflicht ist ein Eingriff in das Grundrecht Art. 2:"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."
Gleichzeitig lässt sich aus dem Grundrecht aber auch ableiten, dass der Staat eine Pflicht hat, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Staatsbürger*innen zu schützen. Es muss also abgewogen werden: Was wiegt am Ende schwerer - der Schutz der Allgemeinheit oder das persönliche Recht auf körperliche Unversehrtheit?
Ich gehe grundsätzlich von einem Menschenbild aus, in dem alle Menschen selbstbestimmt über Eingriffe in den eigenen Körper entscheiden können. Das hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Eine Entscheidung für eine allgemeine Impfpflicht muss daher sehr gute Gründe haben und die Verhältnismäßigkeit muss gegeben sein.
Staatliches Handeln ist verhältnismäßig wenn es:
- ein legitimes Ziel verfolgt
- die Maßnahme geeignet ist dieses Ziel zu erreichen
- die Maßnahme erforderlich ist, das heißt es kein gleich geeignetes milderes Mittel gibt
- und die Maßnahme angemessen ist; dies liegt vor, wenn sie nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht.
Ein legitimes, angemessenes Ziel bei der Impfpflicht ist der Schutz der Gesundheit, Schutz der Krankenhäuser vor Überlastung, sowie potenziell das Ende anderweitiger grundrechtseinschränkender Schutzmaßnahmen. Durch dieses Ziel werden verschiedene Grundrechte geschützt und möglicherweise bestehende Grundrechtseinschränkungen aufgehoben.
Eine Impfpflicht ist eine geeignete Maßnahme, da in der Wissenschaft größtenteils Konsens über die Wirksamkeit der Impfstoffe besteht. Zwar ist von keiner Immunität mehr zu sprechen, aber von einer erheblichen Risikoabsenkung für den Einzelnen sich zu infizieren. Zudem tragen Geimpfte im Schnitt eine geringere Viruslast in sich, sodass sie weniger ansteckend sind.
Erforderlichkeit der Maßnahme bedeutet, dass kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung steht. Ziel der Maßnahme ist hier der Schutz der Bevölkerung. Wie sich gezeigt hat, sind Kontaktbeschränkungen nicht gleich geeignet. Ob sie einen milderen Eingriff darstellen ist ebenfalls zu bezweifeln. Auch anderweitige gleich geeignete Behandlungsmethoden sind noch nicht ersichtlich. Medikamente wie Paxlovid oder Molnupiravir helfen im Falle einer Infektion bei der Immunantwort, schützen aber nicht vor Krankenhausaufenthalten und nur in einer noch unbekannten Häufigkeit an Fällen vor schweren Krankheitsverläufen.
Das Thema ist sehr komplex und ich begrüße es sehr, dass der Bundestag keine überstürzte Entscheidung trifft, sondern sich die Zeit nimmt, um ausführlich alle Aspekte zu betrachten.
Aus oben angeführter Argumentation tendiere ich momentan zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 18. Ich gehe allerdings ergebnisoffen in die Diskussion im Deutschen Bundestag und werde mich neuen Argumenten nicht verschließen.
Viele Grüße
Beate Walter-Rosenheimer