Beate Walter-Rosenheimer
Beate Walter-Rosenheimer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tobias Aw. H. •

Frage an Beate Walter-Rosenheimer von Tobias Aw. H. bezüglich Familie

Sehr geehrte Fr. Walter-Rosenheimer,

wir haben zwei Kinder. Meine Frau und ich haben uns dafür entschieden, unserer Pflicht zur Pflege und Erziehung unserer Kinder mit Freude nachzukommen und diese zuhause zu pflegen, zu erziehen und zu betreuen. Dafür haben wir bis zum 6. Lebensjahr jeweils außer dem verfassungsmäßigen Ausgleich des Existenzminimums (Kindergeld) keine Leistungen des Staates in Anspruch genommen.

In letzter Zeit wird durch den Staat die Einrichtung von Fremdbetreuung massiv finanziell gefördert. Eine Anfrage bei unserer Gemeinde hat ergeben, daß hier die Plätze der ganztägigen Fremdbetreuung mit 1633 Euro pro Monat bezuschusst werden.

Meine Frage an Sie:
In GG 6 Abs. 2 heißt es: "(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht."
a) - sehen Sie diese grundgesetzliche Pflicht, die zuvörderst (also primär/vor allem) den Eltern in unserer verfassungsmäßigen Ordnung auferlegt ist, als betonte "zuvörderst ihnen obliegende PFLICHT", gewahrt, wenn die Kinder für 8 Stunden und mehr am Tag in die Fremdbetreuung gegeben werden (bei 10 Std Schlaf bleiben für die Eltern ca. 4 Std und weniger)?

Anschlußfrage:
Artikel 33 Abs. 1 Grundgesetz
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

Wir haben die uns auferlegte zuvörderst obliegende Pflicht selbst wahrgenommen. Für Eltern, die diese Pflicht nicht selbst wahrnehmen gibt der Staat eine Subvention von in unserer Gemeinde 1633 Euro pro Kind und Monat.

b) - Sehen Sie die Gerechtigkeit und den Verfassungsauftrag hier noch gewahrt, wenn Familien hohe Subventionen erhalten, die ihre grundgesetzliche Pflicht nicht selbst wahrnehmen, während Familien, die hohe Opfer bringen und der Pflicht nachkommen wollen, nicht einmal einen kl. Ausgleich z. B. im Form eines Betreuungsgeldes erhalten?

Für einige Zeilen zu den beiden Fragestellungen a) und b) wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Freundliche Grüße
T. Heinz

Beate Walter-Rosenheimer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heinz,

vielen Dank für Ihre Fragen. Bitte entschuldigen Sie, dass deren Beantwortung etwas länger gedauert hat.

Ihre Kinder können sich ganz offensichtlich glücklich schätzen, da Sie und Ihre Frau viel Zeit und Energie in deren Erziehung stecken. Nichtsdestotrotz haben wir eine sehr unterschiedliche Auffassung zum Thema Betreuungsgeld. Indem Sie das Grundgesetz zitieren, erkennen Sie aus meiner Sicht zwar vollkommen richtig, dass in erster Linie die Eltern für die Fürsorge und Erziehung ihrer Kinder zuständig sind. Anders als Sie bin ich jedoch der Meinung, dass es hier nicht um quantitative Daten geht, sondern um die qualitative Fürsorge. Diese wird keinesfalls dadurch geschmälert, dass ein Kind ein paar Stunden am Tag oder in der Woche in eine Kita geht. Als fünffache, begeisterte Mutter finde ich es schön, wenn Eltern sich engagiert und liebevoll um ihre Kinder kümmern. Viele haben aber aus finanziellen Gründen nicht die Wahl, zum Beispiel wenn sie alleinerziehend sind oder wenn ein Vollzeitgehalt nicht ausreicht. Da hilft auch ein Betreuungsgeld nichts.

Als Argument für die Einführung des Betreuungsgeldes wird eingewandt, es würde Wahlfreiheit hergestellt zwischen dem Besuch der Kita und der Erziehung eines Kindes zuhause. Tatsache ist aber, dass Eltern keine Wahlfreiheit haben, weil es nicht genügend Kita-Plätze gibt und nicht, weil es kein Betreuungsgeld gibt. Deshalb muss der Fokus der Politik ganz klar darauf ausgerichtet sein, ausreichend und auch qualitativ gute Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Die 1,2 Milliarden Euro, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, wären für einen besseren Kita-Ausbau viel sinnvoller eingesetzt.

Für mich von großer Bedeutung: Das Betreuungsgeld würde begünstigen, dass insbesondere Kinder, die in ihrer Familie wenig Unterstützung und Förderung erfahren, nicht in eine Kita gehen. Es ist also nichts anders als eine Kita-Fernhalteprämie. Denn das einzige Auszahlungskriterium besteht darin, ob ein Kind eine Kita besucht oder nicht. Erfahrungen in Ländern, in denen es ein Betreuungsgeld gibt, zeigen, dass so ein falscher Anreiz gerade für bildungsferne Eltern gesetzt wird, ihren Kindern frühkindliche Bildung vorzuenthalten. Die ehemalige Bildungsministerin Ursula von der Leyen hat das Betreuungsgeld vor diesem Hintergrund richtigerweise als "bildungspolitische Katastrophe" bezeichnet. Wie absurd diese Kita-Fernhalteprämie ist, zeigt sich auch daran, dass das Betreuungsgeld auch an Eltern ausgezahlt werden soll, die ihre Kinder nicht selbst zuhause erziehen, sondern diese beispielsweise durch eine Kinderfrau oder ein Au-Pair betreuen lassen.

Ich halte das Betreuungsgeld auch aus gleichstellungspolitischen Gründen für völlig falsch. Denn es setzt gerade für junge Mütter einen Anreiz, nicht beziehungsweise erst spät wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Das schwächt die Situation junger Eltern und Mütter auf dem Arbeitsmarkt, erschwert die Rückkehr in den Beruf und ist mittel- und langfristig ein Problem bezüglich des Erwerbs einer eigenständigen Absicherung. Das Betreuungsgeld muss in diesem Zusammenhang auch verfassungsrechtlich kritisch gesehen werden, weil das deutsche Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern befördert. Mit dem Betreuungsgeld würde aber das Gegenteil passieren und die tradierten Rollenmuster befördert.

Wir Grüne wollen Familien und das Leben mit Kindern unterstützen. Eltern brauchen Zeit für ihre Kinder, sie brauchen eine gute materielle Absicherung und sie brauchen gute Strukturen wie Kitas und Ganztagsschulen. Das Betreuungsgeld halten wir aber für den falschen Weg.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Walter-Rosenheimer

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